Predigt zum Pfingstsonntag - 15.5.2016 Liebe Gemeinde! Es ist die alte Pfingstgeschichte, die uns heute zu hören verordnet ist. Es ist die Geschichte, die für die Kinder im Kindergottesdienst immer besonders schwer zu verstehen ist. Denn sie ist rätselhaft, voller Geheimnis und sehr fremd: Zungen von Feuer, ein Brausen vom Himmel, jeder hörte die Jünger in sei- ner eigenen Sprache reden... Aber hören wir erst einmal zusammen auf diese Pfingsterzählung voller Rätsel und Wunder. Textlesung: Apg. 2, 1-18 Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötz- lich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Spra- chen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen. Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottes- fürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Men- ge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetz- ten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pam- phylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Juden- genossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein. Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lässt meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5):»Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Ging es Ihnen jetzt auch so? Ist das nicht auch für Sie alles sehr fremd und irgendwie unglaublich? Bei vielen Menschen hat sich - seit ihrer Kindheit - vor dieser Geschichte nichts geändert. Woran liegt das wohl? Ob das damit zu tun hat, dass wir zu Pfingsten ja die Person Gottes feiern, unter der wir uns am wenigsten vorstellen können: den Heiligen Geist? Wenn wir von Gott unserem „Vater“ reden, dann haben wir doch alle sofort ein Bild vor Augen: Viel- leicht unseren eigenen Vater oder einen, wie wir ihn uns immer gewünscht hätten oder vielleicht den aus dem Gleichnis vom Verlorenen Sohn? Vater - das ist doch etwas Vertrautes, jemand mit dem wir unsere Erfahrungen gemacht haben, mit dem uns Erlebnisse oder gute Erinnerungen verbinden. Manchmal mag es auch schlechte Gedanken geben, die das Wort in uns aufruft. Aber auf jeden Fall doch irgendwelche Gedanken! Und wenn wir vom „Sohn“ sprechen, dann ist unsere Vorstellung vielleicht noch klarer: Da tritt der Mann aus Nazareth vor unsere Augen, seine ganze Gestalt wie sie die Maler auf ihren Bildern darge- stellt haben oder auch nur sein gütiges Gesicht, wie es manchmal in uns entsteht, wenn wir beten. Wir denken an seine Taten, seine Wunder, seine Reden und die Geschichten, die sich die Menschen - bis heute - von ihm erzählen. Und sicher denken wir auch an sein Sterben für uns, seine Auferstehung und das Leben, das er uns verdient hat. Auch hier kommen uns viele Bilder und Vorstellungen in den Sinn. Aber beim „Heiligen Geist“? Da kommen wir ganz schnell wieder zu eben diesen Dingen, die so fremd sind und so schwer vorzustellen: Feuerflämmchen auf den Köpfen der Jünger, ein Brausen in der Luft und einfache Leute, die auf einmal in vielen Weltsprachen reden. - Doch, wir haben es schon schwer mit dem Heiligen Geist! Wir verstehen ihn nicht. Wir kennen ihn nicht so gut wie den Vater und den Sohn. Wenn wir von ihm sprechen - was selten genug der Fall ist - dann kommt uns kaum eine richtige Vorstellung, geschweige denn ein Bild, vor die geistigen Augen. Ja, der Heilige Geist möge mir verzei- hen, aber er führt bei uns ein Schattendasein, wenigstens was unsere Bilder von ihm angeht. Aber, wissen Sie, was mir aufgefallen ist? Es gibt in der Bibel auch nur ganz wenige Stellen, an denen vom Heiligen Geist gesprochen wird, so ganz bildhaft, meine ich. Mir kam nur die Taufe Jesu in den Sinn, da nimmt der Geist die Gestalt einer Taube an - und dann eben die Pfingstgeschichte. Also ist es vielleicht gar nicht so erstaunlich, wenn wir kaum etwas von diesem Geist wissen und uns nur wenig vorstellen können. Wieviel hören wir dagegen von Gott unserem Vater und erst von Jesus Christus, dem Sohn! Außerdem beginnt der Heilige Geist ja erst dann zu wirken, nachdem Jesus zu seinem himmlischen Vater aufgefahren ist, eben an Pfingsten. Dieser Geist ist also sozusagen der Nachlass des Vaters und des Sohnes in dieser Welt, so etwas wie die Kraft und der Segen Gottes für die Menschen, die an ihn glauben, seit Pfingsten, damals - bis heute! Vielleicht ist es also falsch, wenn wir die Bibel nach Bildern vom Heiligen Geist durchsuchen. Da sind sie nicht. Vielleicht ist es ganz unangemessen, die Wirkungen des Geistes schon in der Heiligen Schrift zu suchen; er entfaltet seine Macht erst in der Kirche aller Zeiten. Und vielleicht sind uns nur die weni- gen Vorstellungen der Bibel von diesem Geist fremd und unbegreiflich - während wir ihn heute - in un- seren Tagen - ganz selbstverständlich am Werke sehen und auch durchaus Bilder von ihm haben? - Gehen wir doch ein wenig auf die Suche nach dem Heiligen Geist heute. Spüren wir ihn und Bilder für sein Wirken in unserer Welt auf, vielleicht gar in unserer Stadt /in unserem Dorf, ganz in unserer Nähe. Ob wir ihn finden? - Bei einem Arzt im Wartezimmer gab es eine ziemlich scharfe Auseinandersetzung zwischen zwei Frauen, die alle anderen Patienten mitanhören mussten. Was will man denn machen, wenn sich zwei vor den Leuten zanken? Es ging um eine lächerliche Angelegenheit, aber es wurde erbittert gestritten. Nach einer Weile war die Ältere von den beiden so in die Enge getrieben, dass die Jüngere nur noch zum entscheidenden Schlag hätte ausholen müssen. Jetzt - so dachten alle im Wartezimmer - jetzt kommt der vernichtende Satz. - Aber er kam nicht. Die junge Frau wurde plötzlich ganz freundlich und hat nur gesagt: „Komm, wir lassen das jetzt. Ist ja nicht so wichtig, wer nun Recht hat.“ Alle im Warte- zimmer haben aufgeatmet. Man konnte es spüren und hören. Die Junge hat auf den Triumph des Sieges über die andere verzichtet. Sie hat Frieden gemacht, wo sie der anderen eine Niederlage hätte zufügen können. - Ob da nicht der Heilige Geist heute wirksam gewesen ist? - Vor Tagen im Eissalon in .............. Zwei Frauen mit sehr dunkler Hautfarbe schauen sich nach einem freien Tisch um. Sie sind wohl Asylbewerberinnen. Überall sind die kleinen Tischchen besetzt, drinnen und draußen in der Sonne sowieso. Jetzt bemerkt es eine Frau mit Kind, dass die beiden offensichtlich einen Platz suchen. Ohne zu zögern winkt sie ihr eisessendes Töchterchen von gegenüber des Tisches neben sich an ihre Seite. Einen Augenblick später ein Lächeln in Richtung der beiden dunkelhäutigen Frauen, ein Hinweis auf die freigewordene Seite des Tisches - die Frauen strahlen und setzen sich und nicken dankbar. - Ich glaube, da konnte man auch ein Bild für den Heiligen Geist sehen. - Weil ja aller guten Dinge drei sind, jetzt noch ein drittes Beispiel für das Wirken des Heiligen Geistes, das wir bei uns und in vielen Kirchengemeinden beobachten können: Ich denke an die vielen Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter, die hier und anderswo im Dienst ihrer Mitmenschen tätig sind. Das ist ja gar nicht so leicht, sich vor eine Kindergottesdienstgruppe zu stellen und den Kindern biblische Geschich- ten zu erzählen oder mit ihnen zu beten. Und das ist ja auch nicht so ganz einfach, beim Seniorenkreis oder in der Jungschar den Programmdirektor zu spielen. Manche/r muss sich dabei doch sehr überwin- den. Und schon gar nicht leicht ist es für die Kirchenvorsteher/innen immer mit allem identifiziert zu werden, was die Kirche und die Gemeinde macht und falsch macht oder in verschiedenen Diensten der Gemeinde zu stehen, z.B. ............ (Hier ganz konkrete Dienste aus der Gemeinde einfügen!). Da sind doch Ängste, die niedergekämpft werden müssen, die man vielleicht nur schwer abschütteln kann und die uns sogar den Schlaf rauben können. Aber immer wieder gelingt es! Die Menschen überwinden sich und werden überwunden. Ängste sind nicht stark genug, alle Entwicklung und alles Wachstum zu unterbinden. Menschen werden frei von aller Scheu, stärker als all ihre Hemmungen. - Das ist der Heilige Geist, der das macht! Ich glaube, ich könnte noch einige Bilder und Erlebnisse vor ihre Augen und Ohren bringen. Ich glaube darum auch, dass wir wirklich nicht in der Bibel zuerst nach Bildern vom Heiligen Geist suchen sollten. Die sehen wir heute in unserer Welt und in unserer Zeit viel eher! Und es gibt sie, Gott sei Dank, es gibt sie - und gar nicht so wenige. So mag uns die alte Pfingst- geschichte ruhig ein bisschen fremd bleiben mit ihren rätselhaften Bildern, die wir uns gar nicht mehr recht vorstellen können. Hauptsache ist doch, dass der Heilige Geist heute wirkt und heute mit Kraft und Segen Gottes ausrüstet und stärkt und Fremdheit, Streit und Angst unter den Menschen überwindet. Ich wünsche uns zu diesem Pfingstfest viele schöne Bilder und Wirkungen des Heiligen Geistes. Be- sonders wünsche ich uns solche Erfahrungen mit seiner Macht, die wir am eigenen Leib erleben dürfen. - Frohe und begeisternde Pfingsten für sie alle! AMEN