Predigt zum Sonntag „Lätare“ - 6.3.2016 Textlesung: 2. Kor. 1, 3 - 7 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. Denn wie die Leiden Christi reich- lich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. Haben wir aber Trübsal, so geschieht es euch zu Trost und Heil. Haben wir Trost, so geschieht es zu eurem Trost, der sich wirk- sam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: wie ihr an den Leiden teilhabt, so werdet ihr auch am Trost teilha- ben. Liebe Gemeinde! Bei diesen Versen des Apostels Paulus kam mir in den Sinn, was alle, die in der Verkündigung stehen, immer wieder einmal von Gottesdienstbesuchern so oder ähnlich hören: „Die Predigt heute war wieder Trost und Kraft für die ganze Woche!“ Offenbar ist Trost etwas, was wir in besonderem Maß von einer Predigt erwarten. So gesehen, müssten wir von heute reichlich Trost mit nach Hause nehmen können: zehnmal schreibt Paulus von Trost und Trösten! - Wir wollen sehen, ob überdies noch ein wenig Kraft für die kommende Woche abfällt. Zunächst müssen wir uns allerdings einmal mit der Trübsal beschäftigen: „Gelobt sei Gott,...der uns tröstet in aller Trübsal...“ - „Gelobt sei Gott...“, so damit leiten die Pfarrerin, der Pfarrer am Grab oft ih- re Worte ein, nachdem der Sarg herabgelassen wurde. Vielleicht haben Sie sich ja auch schon gefragt: Was gibt's denn da zu loben, wenn ein Mensch gestorben ist und wir Abschied nehmen müssen? Ganz ähnlich unverständlich ist es hier: Lob Gottes für den Trost in Kummer und Leid??? Na gut, Lob für den Trost, das mag ja noch angehen, aber Paulus geht ja noch viel weiter: Wir rühmen uns der Trübsa- le, so schreibt er an anderer Stelle (Röm.5,3). Wir dürfen das darum auch hier so verstehen: Auch die Trübsal selbst sollen wir loben und danken für die Not, den Kummer und das Leiden. Können wir das begreifen? Ich überlege jetzt, wie das wohl den jüngeren Leuten (den Konfirmandinnen und Konfirmanden) hier vorkommen mag? Wenn ihr beim Geburtstag eingeladen seid, könnt ihr euch vorstellen, dass ihr dann so sprecht: Viel Kummer wünsche ich dir, viel Not und Erfahrungen des Leids und auch von Herzen Probleme mit der Gesundheit! Wir müssen fast lachen über diesen Gedanken. Er ist aber gar nicht so abwegig, wenn wir Paulus hören. Und an die etwas älteren Menschen hier muss ich denken, die schon die eine oder andere schlimme Zeit hinter sich haben. Wie sehen wir dieses seltsame Verhältnis des Apostels zur Trübsal? Wünschen wir uns in dunklen Tagen nicht alles andere, als dass unser Kummer noch länger dauert? Finden wir an den trüben Stunden irgendetwas „lobens“-wertes? Und die wirklich alten Leute unter uns will ich auch noch fragen: Gelingt euch das so einfach, das Rühmen all der bitte- ren Lebenserfahrungen, die ihr machen musstet? Könnt ihr gar Dankbarkeit dafür aufbringen? „Gelobt sei Gott, der Vater der Barmherzigkeit...“, wir haben doch unsere liebe Mühe mit dem Lob, ja schon mit dem Verstehen der Trübsal und dem Beugen unter sie. Was fangen wir da mit den Worten des Paulus an? Bevor wir sagen: Hier kann uns der Apostel nicht ansprechen, hier können wir ihm nicht folgen, wollen wir seinen Gedanken noch ein wenig nachdenken. „Gott erspart uns Trübsal nicht...aber er tröstet uns dann auch...damit wir andere trösten können, die genauso Kummer haben...und so groß das Leid, so groß ist auch der Trost...alles aber dient dem Heil in Jesus Christus...“ Nein, ein uneingeschränktes Ja mögen wir dazu nicht sagen - und doch: Das klingt alles ganz vernünftig, oder besser: das spricht ir- gendwie unser Herz an, wir bekommen dabei das Gefühl, da liegt auch Wahrheit drin... Gehen wir einmal anders heran: Stellen wir uns vor, unser Leben bis heute wäre immer nur leicht und froh gewesen. Nicht ein Schatten hätte unsere Tage verdunkelt, immer nur Helles, Schönes, immer nur Glück und Sonnenschein. Ob wir wohl jetzt hier sitzen würden? - Hätten wir wohl zum Glauben an Je- sus Christus gefunden? - Spielte Gott bei uns überhaupt eine Rolle? Fragen, die vielleicht eher die Älteren unter uns betreffen. Aber auch die jungen Leute können sich das ausmalen, was wohl im Herzen und der Seele eines Menschen vorgeht, der stets nur glückliche Stunden erlebt. Ein solcher Mensch wird wohl leicht übermütig. Vielleicht bildet sich so ein Glückspilz ein, er wäre auf die Sonnenseite der Welt abonniert?! Schnell glaubt dann so einer, er sei halt auch ein Mensch ohne Fehler, makellos und darum vom Schicksal begünstigt. Das Danken verlernt er schließlich auch - wem sollte er denn danken? Wenn er sich doch alles selbst verdient hat!- So geht einem Menschen Gott verloren. Und wir kennen jeder auch genügend Zeitgenossen, wo es gerade so gegangen ist. Ob sich Gott nicht vielleicht mit dem Leid und der Trübsal bei uns in Erinnerung halten oder bringen will? Not lehrt beten, so sagen wir. Ob nicht vielleicht Gott uns von Zeit zu Zeit mit einer schweren Stunde sozu- sagen auf die Schulter tippt? Einigen ist bei dieser Sicht nicht wohl: Das sieht ja aus, als benutze Gott unser Leid, um uns zu führen und zurechtzubringen. Wenn wir nicht mehr so spuren, wie er es will, dann schickt er flugs eine Krank- heit, einen schweren Schlag, einen Todesfall... Ist das nicht zu oberflächlich betrachtet? Ist Gottes Wir- ken so leicht durchschaubar? - Meine Meinung dazu ist: Gottes Wege sind viel höher und viel verbor- gener, als dass wir sie so rasch und leicht begreifen könnten. Ich kann es aber auch nicht ausschließen, dass Gott bei dem einen oder anderen schon so deutlich und leicht verständlich gehandelt hat. Aber ich denke, das bleibt die Ausnahme. Überhaupt gibt es ja eine viel tiefere Sicht der Dinge, da erkennen wir Gott viel eher - den Gott, dessen Gedanken doch so viel höher sind als unsere!: Waren die schweren Stunden unseres Lebens denn nicht eigentlich die wichtigsten für uns? Wenn wir über die erste Ver- zweiflung hinaus waren, als unser erstes Schreien leiser geworden und dann verstummt ist und die Trä- nen versiegt waren - gab es dann nicht die wesentlichsten Erfahrungen für uns? Gut, wir wussten zwar nicht, warum uns dieses Leid geschickt worden war, aber wir wussten auf einmal, wozu es dienen konnte (und vielleicht dienen sollte?): Dass wir etwas von Gottes Hand spüren, seine Kraft erleben, seinen Trost fühlen konnten. Und haben wir nicht solche Erfahrungen gemacht? Vielleicht auf dem Krankenbett: Das sichere Wissen, du bist jetzt nicht allein, Jesus steht neben dir. Wenn du jetzt in den Operationssaal geschoben wirst, geht er mit dir und hält deine Hand. Vielleicht nach einem Abschied - wenn du auf einmal wieder ohne Weinen von einem lieben Menschen reden konntest, wenn dir aufging: Er ist ja jetzt bei Gott, er hat es jetzt besser. Vielleicht auch nach einem schlimmen Streit mit dem Ehegatten, mit dem Nachbarn - wenn plötzlich - man weiß selber nicht woher - wieder ein Lächeln da ist, eine Geste, ein freundliches Wort. Wer solche Stunden erlebt hat, der weiß: Die größten Chancen lagen in ihnen, die prägendsten Erlebnisse haben wir da gemacht. Vielleicht wurden die Weichen in eine neue Richtung gestellt, vielleicht wurde gar die wichtigste Lebensentscheidung getroffen? Ja, und ist nicht da unsere gute Beziehung zu Gott gewachsen, wurde sie in diesen Stunden nicht vertieft? Noch deutlicher: Sitzen wir vielleicht nicht wegen solcher Erfahrungen des Kummers und des Leides hier im Hause Gottes? Weil wir eben nicht nur Leid, sondern auch den Trost und die Kraft Gottes erlebt haben! Und wenn man noch sehr jung ist und solche Erfahrungen noch nicht machen konnte? Kann man sich das nicht auch vorstellen, in Gedanken ausmalen?: Wie einer, dem immer alles glatt geht, leicht seinen Gott vergisst und nur aus und für sich selbst sein Leben führt, so kann man es sich doch auch denken, dass es einen oberflächlichen Menschen schon zurechtbringen kann, wenn er einmal aus seinem selbst- gefälligen Trott herausgeholt wird. Ein schweres Geschick macht ihn vielleicht darauf aufmerksam, dass er sein Leben doch nicht ganz und gar in der Hand hat. Wenn das geschieht, noch ehe er Gott ganz abgeschworen hat, sollte er ihm danken! Wenn er dann sogar noch erleben darf, ich bin nicht allein, nie einsam in meiner schweren Zeit, einer trägt mit, fühlt mit, geht mit, einer gibt Kraft, tröstet im Lei- den...dann kann sich unsere Phantasie leicht ausmalen, wie wertvoll und wichtig die „Trübsale“ sein können, die Gott uns auferlegt. Liebe Gemeinde, es scheint doch etwas dran zu sein am „Danken“ für das Leid und am „Loben Gottes“ für alle Trübsal! Umso hilfreicher werden wir auch seinen Trost erfahren und die Kraft, die er uns schenkt. Und gewiss stimmt auch das: Wie sollen wir andere ermutigen können, wenn wir nicht zuerst von Gott neuen Mut geschenkt bekommen haben? Wie sollen wir trösten, wenn wir nie Trost erleben durften? Wie wird denn einer einem anderen Kraft geben können, der selbst noch nie am Ende seiner eigenen Kraft gewesen ist? Wie soll er denn wissen, wie so einer fühlt? Danken wir Gott auch - ja gerade! - für die schweren Lebenserfahrungen! Sie können und werden uns die wesentlichen Hilfen für unseren Glauben und unsere Hoffnung schenken. Trost und Kraft kann wohl nur der erhalten, der auch einmal ins Leid geführt wird. Aber er wird sie dann auch gewiss erhal- ten durch Jesus Christus. Denken wir daran, wenn die Trübsale kommen! AMEN