Predigt zum Sonntag „Invokavit“ - 14.2.2016 Textlesung: Hebr. 4, 14 - 16 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschrit- ten hat, so lasst uns festhalten an dem Bekenntnis. Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch oh- ne Sünde. Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzig- keit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben. Liebe Gemeinde! Sie kennen das: Sie hören eine Geschichte - und bei einem Satz, der vielleicht für andere ganz unbedeutend ist, schweifen ihre Gedanken ab. Sie kommen ins Nachdenken oder Träumen und hören den Rest der Geschichte gar nicht mehr. Oder sie sehen einen Film oder ein Theaterstück - auf einmal drängen sich vor die Bilder auf der Leinwand oder Bühne die Bilder ihres eigenen Lebens. Sie verfolgen nicht mehr den Film oder das Stück, sondern die Szenen, die sich in ihrem Kopf abspielen. Und wer weiß, oft mag das auch während einer Predigt so gehen!? Und das alles ist auch gar nicht schlimm, vielmehr das beste Zeichen dafür, dass etwas bei den Zuschauern oder Hörern gut und richtig ankommt. Mir ging es heute so mit den Worten aus dem Hebräerbrief. Ich bin an diesem Satz hängengeblieben: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.“ Wie von selbst gingen meine Gedanken dahin, was denn dieses Bekenntnis ist, das wir festhalten sollen. Und dazu fiel mir doch eine ganze Menge ein: Persön- lich würde ich es so formulieren, wie Martin Luther es in seiner Erklärung zu den Glaubensartikeln ausgedrückt hat, Worte, die ich in meiner Konfirmandenzeit auswendig gelernt habe: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter; mit aller Notdurft und Nah- rung dieses Leibes und Lebens mich reichlich und täglich versorgt, wider alle Fährlichkeit beschirmt und vor allem Übel behütet und bewahret; und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn all mein Verdienst und Würdigkeit... Ich glaube, dass Jesus Christus, wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren, sei mein Herr, der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat, erworben, gewonnen von al- len Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels; nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem heiligen, teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben; auf dass ich sein eigen sei...“ Ich weiß, viele von ihnen - namentlich die älteren unter uns - würden das auch so sagen können. Bei den jüngeren Leuten sind diese Worte vielleicht so nicht mehr im Gedächtnis. Aber sie könnten das trotzdem unterschreiben. Aber es liegt gar nicht alles daran, dass es nun diese Worte sind und dieses umfassende Bekenntnis ist. Ich will es so ausdrücken: Wenn unsere Konfirmanden aus ihrer Konfirmandenzeit nur das mitnehmen würden: „Gott liebt mich. Jesus Christus ist für mich gestorben und hat meine Sache mit Gott in Ord- nung gebracht und mir das ewige Leben verdient. Darum soll und kann ich jetzt so leben, wie er es mir vorgelebt hat.“ Wenn es nur das wäre, es wäre genug! Ja, und jetzt kommt das „aber“..., jetzt kommt der Grund, warum mir das so lange zu denken gegeben hat, was wir heute im Hebräerbrief lesen: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.“ Viele Menschen unserer Tage halten eben nicht mehr fest am Bekenntnis. Jedenfalls an diesem nicht. Wohlgemerkt: Gott liebt diese Menschen wohl, aber es interessiert sie nicht. Und Jesus Christus hat ihre Sache mit Gott ins Reine gebracht, aber sie pfeifen darauf. Und darum leben sie auch ganz und gar nicht so, wie er es will. Sie kreisen nur um sich selbst. Sie schaffen und raffen nur für sich. Sie lieben weder Gott noch den Nächsten. Ja, sie lieben im Grunde auch nicht sich selbst, denn Eigensucht und Selbstliebe ist zweierlei. Und sich selbst lieben kann nur der, der auch Gott und den Mitmenschen liebt. Aber meine Gedanken gingen noch weiter, viel weiter: Mit diesem Bekenntnis zu Gott und seinem Sohn Jesus Christus fallen auch alle anderen Bekenntnisse dahin: Das Bekenntnis zur Wahrheit zum Beispiel. Oder der Eid auf die Bibel, wie ihn Politiker oft so leichtfertig ablegen, wenn sie damit Minister oder Kanzler werden können. Und das Versprechen an ei- nen Freund oder an den Ehepartner... Ich gebe darauf bei denen auch nicht viel, die das erste, das Be- kenntnis zu Gott, oft so leichtfertig aufgeben! Liebe Gemeinde, ich weiß durchaus, was ich da sage. Ich will auch erklären, was und warum ich das meine: Wer den Gott seiner Kindheit und Jugend aufgibt, wer das Bekenntnis, das er bei der Konfirma- tion gesprochen hat, abtut, wie ein aufgebrauchtes Kleidungsstück, und auch wer im Laufe seines Le- bens die Bindung an Gott und das eigene Gewissen für Geld, Macht und Erfolg preisgibt, der gibt das Wichtigste auf, was ein Mensch überhaupt hat und tritt es mit Füßen! Und es kann nicht anders sein, als dass mit dieser Bindung alles andere, was den Menschen in seinem Herzen bindet und hält, verloren- geht. Solche Menschen haben keine Wurzeln mehr, sie haben keine Mitte, keinen Halt und Trost. Kön- nen sie dem Mann, der einmal mit ihnen konfirmiert worden ist und heute Gott leugnet, ja verflucht, glauben, wenn er sagt, er wäre ihr Freund? Hätten sie nicht unwillkürlich die Befürchtung im Herzen: Wie er Gott weggeworfen hat, so wird er auch mich einmal wegwerfen? Und wenn eine Frau ihnen schwört, die Wahrheit zu sagen, von der sie doch wissen, dass sie Jesus Christus längst mit dem Gott Mammon vertauscht hat, würden sie da sehr viel auf das geben, was sie schwört? Warum soll ihr die Wahrheit mehr wert sein, als Christus? Und umgekehrt: Warum soll einer an der Wahrheit festhalten, die doch nur ein Wort ist, wenn er doch nicht einmal an Jesus festhält, der doch der lebendige Herr ist? Es ist schon so: Wer die oberste, wichtigste, ja heiligste Bindung seines Lebens löst, der hat alle Bin- dungen gelöst! Alle Bekenntnisse eines Menschen sind nur glaubhaft, wenn das größte, höchste Be- kenntnis wahr ist und bleibt: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen...“ Oder auch: „Gott liebt mich. Jesus Christus ist für mich gestorben und hat meine Sache mit Gott in Ordnung gebracht und mir das ewige Leben verdient. Darum soll und kann ich jetzt so leben, wie er es mir vor- gelebt hat.“ Liebe Gemeinde, das etwa waren die Gedanken, zu denen mich dieser eine kleine Satz an- geregt hat: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.“ Zurück bei den Worten des Hebräerbriefs war ich dann an dieser Stelle: „...damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.“ Und mir wurde da auf einmal sehr, sehr traurig zumute: Was ist denn, wenn ein Mensch sein Bekenntnis, seinen Glauben und seinen Gott aufgegeben hat? Wie soll er das denn wiederbekommen? Wo ist der Punkt, an dem der Mensch, wenn er das erst alles verloren, ja mutwillig verworfen hat, anknüpfen kann, um es wiederzuerhalten? Gewiss, es geht. Es muss ja gehen, weil Gott gnädig ist. Aber von uns aus, können wir nichts machen. Menschen, die ein ganzes Leben ohne Gott gelebt haben, die seine Sache verlacht und lächerlich ge- macht haben, die gläubige Menschen verspottet und den Glauben verunglimpft haben, Menschen deren Bekenntnis immer nur war, dass man nichts auslassen darf im Leben und dass ein angemessener Preis jede Schurkerei rechtfertigt und man getrost, wenn es sich lohnt, auch über Leichen gehen kann und an- sonsten ein Viertelpfund Rindfleisch eine gute Suppe gibt, solche Menschen haben nur die eine Chan- ce: Dass Gott ihnen dennoch verzeiht und sie annimmt - und wenn es in der Stunde des Todes wäre. Mir fällt dazu das Wort ein, das einmal als Losung über einem ganzen Jahr gestanden hat: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt an seiner Seele?“ - Und ich möchte antworten auf die Frage, die dieses Wort stellt: Es nützt ihm nichts, überhaupt nichts, denn er kann selbst nichts tun, um seine Seele auszulösen. Er ist allein angewiesen auf Gottes Erbarmen und seine Gnade, wie wir das unser ganzes Leben schon sind. Nur, und das eben ist so traurig, sicher ist dabei nichts. Das kann so ausgehen und anders. Denn oft ist inzwischen jegliche Beziehung zu Gott kaputtgegangen, ja von den Menschen selbst zertreten worden in jungen, erfolgrei- chen Jahren, in denen vermeintlich alles zum Besten stand und man so stark war und so überlegen und in denen man die, denen der Glaube wichtig war, als Betschwestern, Kanzelschwalben und Frömmler abgetan hat. Rasch aber geht das Leben zur Neige. Wir werden schwächer, hilfsbedürftig, suchen nach Halt und einer Antwort, was denn wird, wenn die Lebensuhr abgelaufen ist. Schlimm, wenn dann nichts mehr da ist, was uns trägt. Schrecklich wenn wir dann den nicht mehr kennen, der unser Gebet hört. Ja, oft wissen die Menschen dann nicht einmal mehr wie das geht, das Beten und um die Macht des Gebets wissen sie schon gar nicht. Darum noch einmal: „Lasst uns festhalten an dem Bekenntnis.“ Lasst uns festhalten an Gott, wenn wir ihn einmal gefunden haben. Lasst uns den Glauben bewahren als das Wertvollste unseres Lebens. Und - heute sage ich es wieder einmal - lasst uns auch an und in Gottes Gemeinde, Gottes Kirche bleiben. Keiner kann allein leben. Keiner kann allein glauben. Wir sind auf einander angewiesen, dass wir uns stützen, helfen und auch mahnen! Wir werden es gleich im Lied singen und es ist wahr: „Keiner kann allein Segen sich bewahren...!“ (EG 170) Es werden für uns alle Zeiten kommen, da muss es sich be- währen, ob wir am Bekenntnis festgehalten haben. Und es wird uns nichts Wichtiges entgangen sein, wenn wir nur den Trost unseres Glaubens haben, und wir werden Barmherzigkeit und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben. - Wenn wir das wissen und glauben - sagen wir's den Mitmen- schen um Gottes Willen weiter! AMEN