Predigt zum 3. Advent - 13.12.2015 Lesung des Wochenspruchs: Jes. 40, 3 Bereitet dem Herrn den Weg. Siehe, der Herr kommt gewaltig. Textlesung: 1. Kor. 4, 1 - 5 Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden. Mir aber ist's ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht. Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt; der Herr ist's aber, der mich richtet. Darum richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen. Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteilwerden. Liebe Gemeinde! Wir, die predigen, müssen oft hören: „Im Gottesdienst wird so viel geschimpft, und meist mit denen, die gar nicht da sind!“ Ein Vorwurf, der an ein bekanntes Sprichwort erinnert: „Er schlägt den Sack und meint den Esel.“ Wenn das in unseren Gottesdiensten und Predigten wirklich so wäre, würde das heißen: Sie, liebe Zuhörer, müssen sich hier sagen lassen, was eigentlich den anderen gilt, die selten oder nie zur Kirche kommen. - Aber ist das so? Wahr ist sicher: Oft wird in einer Predigt, ja, nicht gerade geschimpft, aber doch gemahnt, gewarnt und dazu aufgerufen, sich zu verändern. Und - das muss ich zugestehen - es sind eher wenige Predigten, die uns einmal so richtig gut tun, sodass wir in unserer Kirchenbank ein bisschen wachsen und uns behaglich zurücklehnen können. Die Mahnung überwiegt. Ganz selten bestätigt uns die Predigt - so wie wir sind. Das andere aber weise ich zurück: Angesprochen sind eben nicht „die da draußen“, sondern du und ich, die Leute, die dem Wort Gottes in ihrem Leben überhaupt noch einen Raum geben. Es ist nun allerdings so: Kein Mensch verändert sich gern. Niemand legt leicht die alten, vielleicht falschen Gewohnheiten ab, ich nicht und du nicht und keiner von uns. Man hängt schließlich an dem, was einen schon jahrelang begleitet: Wie soll die alte Frau, die immer ihre Kartoffeln auf die altvertraute Weise gekocht hat, nun einen Dampfkochtopf benutzen? Und wir müssen gar nicht nur an alte Leute denken: Da fahren wir seit Jahren denselben Weg zur Arbeit. Erst eine Straßensperrung - über die wir auch noch heftig schimpfen - zeigt uns den besseren und kürzeren Weg zur Arbeitsstelle. Und selbst die Jungen, schon unsere Konfirmanden, hängen am Gewohnten: Sind das nicht jeden Sonntag wieder dieselben Jungen und Mädchen auf denselben Plätzen? In Herzensdingen ist es nicht anders. Was einer glaubt, ist eingefahren, oft Jahrzehnte schon. „Wir bleiben bei dem, was wir gelernt haben“, das kann man, immer wenn es um Glaubensfragen geht, immer wieder hören. Menschen, die das sagen, meinen: Wir bleiben beim Glauben unserer Kindheit und Jugend. Davon bringt uns keiner ab. Ich finde - sie müssen schon entschuldigen - dieses Denken ist nicht nur gut. Alles an uns und um uns entwickelt sich ja doch im Laufe unseres Lebens - und unser Glaube soll sich nicht entwickeln, nicht wachsen? Unsere Persönlichkeit prägt sich aus, wir werden reifer und weiser, unser Urteil wird sicherer - und unsere Sache mit Gott soll keinen Fortschritt machen, sich nicht verändern? Sagen sie selbst: Wäre das nicht schlimm? Im alten Israel hielten sich die Könige so genannte „Heilspropheten“. Ihre Aufgabe war es, den Herrschenden wieder und wieder zu sagen: Ihr seid in Ordnung. Alles, was ihr tut ist richtig; ihr habt die rechte Religion, den rechten Gottesdienst, Gott wird euch segnen und bewahren - macht nur immer weiter so. Für diesen „Propheten“-dienst wurden sie auch noch bezahlt. Es ging diesen Lobrednern bestens. Die Könige hielten sie gut - solange sie ihnen nach dem Munde redeten. Und heute? Ich glaube, wenn die Kirche die Menschen nur bestätigte, sie wäre sonntags voller. Vielleicht so: „Ihr seid gute Christen. Gott will euch gerade so, wie ihr seid! Bleibt so!“ Wo so gepredigt würde, ginge man immer wieder gerne hin. Das würde uns gefallen ... oder doch nicht? Bereitet dem Herrn den Weg. Siehe, der Herr kommt gewaltig. Ich habe diesen Wochenspruch zu dieser Woche heute mit Bedacht vor dem Predigttext verlesen. Johannes der Täufer hat es den Leuten zugerufen, kurz bevor Jesus kam. Als ich nun über diesen Vers nachgedacht habe und darüber, ob in unserer Kirche zu viel geschimpft wird, bin ich - für mich jedenfalls - zu diesem Vorsatz gekommen: Ich glaube, wir, die das Wort Gottes weitersagen sollen, dürfen nie etwas anderes sein als solche „Prediger in der Wüste“, wie Johannes einer war. Nicht Schönredner, nicht Schmeichler, keine(r), der/die gutheißt, was nicht in Ordnung ist. Unsere Aufgabe ist die des Johannes, Stimme eines Rufers zu sein, die da ruft: Bereitet dem Herrn den Weg! Siehe, der Herr kommt gewaltig. Und das stimmt auch gut mit dem zusammen, was uns Paulus heute nahelegen will: „Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern, als dass sie für treu befunden werden.“ Ja, Diener sollen wir sein, nicht der Menschen, sondern Jesu Christi. Und Haushalter sollen wir sein und solche, die für treu befunden werden. Und das wird es mit sich bringen, dass wir wie Johannes auch über das sprechen müssen, wovon die Leute nicht so gerne hören: Von dem, was schlecht ist bei uns, von Schuld und Strafe, von Gericht und Unheil. Wären wir nur „Heilspropheten“, dann müssten wir sagen: Wartet ruhig ab, bis der Herr kommt. Alles in euch ist ja schon gut vorbereitet. Er findet das rechte Quartier in euren Herzen. Die Straße, auf der er herzieht ist vorzüglich. Der Weg zu euch ist eben und glatt. Nichts wird seinen Einzug stören. Kein Steinchen, an dem sich sein Fuß stoßen könnte. - Nein, wie Johannes sollen wir sein. Und ausdrücklich: Uns selbst wollen wir seine Botschaft auch ausrichten und zu Herzen nehmen, denn wir sind nicht besser als irgendeiner, nur weil uns die Aufgabe der Predigt anvertraut ist. So wollen wir uns predigen, so müssen wir uns predigen: Räumen wir endlich weg, was IHM den Weg versperrt. In unseren Herzen ist kein Platz für ihn. Da wohnen schon so viele Herren: Die Interessen dieser Welt, Besitz und Geld, Haben und Habenwollen, Neid und Geiz, Ichsucht, die dem Nächsten nichts gönnt. Es ist so dunkel in uns. Wir nehmen uns so wenig Zeit, uns zu bereiten - für seine Ankunft. - Ist das wieder geschimpft? Dann dürfen wir PredigerInnen uns nun ein für alle Mal beim Schimpfen auf Johannes berufen. Der Mann, der da in der Wüste Umkehr predigt, war besessen von dem Gedanken, die Menschen für den kommenden Herrn vorzubereiten. Er taufte sie. Er redete ihnen zu. Aber er schrie sie auch an: „Schlangenbrut“ und andere Dinge. Wie kommt er dazu? - Er sagt, warum: „Der Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen.“ Und dann: „Der nach mir kommt, ist stärker als ich. Er wird seine Tenne fegen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er verbrennen in unauslöschlichem Feuer.“ Johannes weiß, worum es geht. Der Einzug dieses Herrn ist nicht irgendeine Ankunft, wie es viele gibt, mit höflicher Begrüßung und unverbindlicher Plauderei. Hier steht alles auf dem Spiel, Sein oder Nichtsein, Leben oder Tod, Herrlichkeit oder Verdammung. Darum ruft er: „Bereitet dem Herrn den Weg. Siehe, der Herr kommt gewaltig.“ - Wenn es um so viel geht - eigentlich um alles - darf einer dann nicht auch schimpfen, schreien, mahnen, warnen und noch mehr. Ist das nicht eigentlich Liebe zu den Menschen, die hinter der Bußpredigt des Johannes steht: Seht doch, der Herr kommt zum Gericht! Bekehrt euch doch, um Gottes willen, kehrt doch um! - Es mag schon sein, dass wer sich ihn zum Vorbild nimmt, auch von seiner Art zu predigen bestimmt wird - und vielleicht auch manchmal zu schimpfen versucht ist! Aber wenn man die Augen so auf das kommende Ereignis gerichtet hat wie Johannes, dann kann man eigentlich nur zum Mahner und Warner werden. Siehe, der Herr kommt! Es geht ums Ganze. Sein oder Nichtsein, Leben oder Tod stehen auf dem Spiel. Was ist dagegen die Kurzweil dieser Zeit. Was ist es dagegen wert, ob du dir nun ein Haus in dieser Welt gebaut hast oder nicht. Was wird dein Besitz zählen und was die Lebensversicherung? Wer wird etwas vom Auf und Ab deines Vereins wissen wollen oder deinem Ansehen bei den Leuten? Der Kommende wird dich nach anderen Dingen fragen: Wie viele Menschen durch dich glücklicher geworden sind? Wer dir etwas verdankt? Wem du wirklich selbstlos geholfen hast. Nach deinem Glauben wird er fragen. Nicht nach dem deiner Kindheit und was du dir davon bis ins Alter bewahrt hast, sondern ob er gewachsen ist durch all die Jahre deines Lebens. Und ob er Früchte gebracht hat - für andere. Überhaupt wird den Herrn, der da kommt, wenig erfreuen, wo wir starr und beharrlich bei dem geblieben sind, was wir irgendwann einmal gelernt haben. Er braucht Leute, die sich entwickeln können, die auf ihn zu wachsen und sich in seinem Sinne verändern und verändern lassen. Nur mit denen kann er seine neue Welt bauen. Veränderung ist schwer, aber sie ist nötig. Wachstum im Tun und der Liebe dieses Herrn ist manchmal anstrengend, aber es gibt keine andere Möglichkeit, der Predigt eines Johannes gerecht zu werden: Bereitet dem Herrn den Weg. Seine Ankunft steht unmittelbar bevor. Er kommt zum Gericht. Er wird seine Tenne fegen, den Weizen sammeln und die Spreu verbrennen. Wahrhaftig, wir brauchen keine Heilspropheten und Schönrednern. Wir müssen den Leuten predigen wie Johannes: Mahnen, warnen, selbst einmal schreien und vielleicht auch einmal schimpfen. Das ist besser, als den Menschen nur heuchlerische und angenehme Worte ins Ohr zu flüstern. - Noch einmal: Es steht einfach zu viel auf den Spiel! AMEN