Predigt zum Ewigkeits- oder Totensonntag - 23.11.2003 Liebe Gemeinde, nein, sorgen müssen wir uns um unsere Verstorbenen nicht! Wir trau- ern...noch...und heute wieder...und nicht nur um die, von denen wir in den letzten 12 Monaten ha- ben Abschied nehmen müssen. Wir werden ja so schwer damit fertig! Vielleicht können wir nie mehr ihren Namen nennen, ohne daß es uns die Tränen in die Augen treibt? Und schon die Ge- danken an sie...tun so weh. Sie fehlen uns. Und manche Wunde, die der Tod geschlagen hat, ist ja noch ganz frisch... Aber sorgen wollen wir uns nicht um sie! Ihr Leben ist abgeschlossen, gleich ob der Tod früh kam oder im hohen Alter. Vielleicht nicht immer vollendet nach unserem Denken und Meinen, - aber doch abgeschlossen! Sie selbst, um die wir trauern und wir, die traurig sind, können ihrem Leben nichts mehr hinzufügen oder abziehen. Es war so, wie es war. Ein Leben im Glauben oder eines in selbstgewählter Ferne von Gott. Ein Leben, in dem die Familie die größte Rolle spielte, oder eines, das mehr der großen Gemeinschaft gewidmet war. Wir hoffen für jeden und jede, daß es ein Leben gewesen ist, das Gott nun annehmen kann. Denn wir haben sie in Gottes Hand zurückgegeben, aus der sie einmal hervorgingen. Und wir erhoffen von Gott und trauen es ihm zu, daß er ihnen um Christi willen das neue Leben in seinem Ewigen Reich schenkt. Es wird sein Wille geschehen. Wir können daran nichts ändern. Aber wir haben von Gott die Macht und die Möglichkeit geschenkt bekommen, daß wir für unsere Verstorbenen bitten dürfen. Und das wollen wir ja auch nachher tun. Und es ist unserem Gebet versprochen, daß Gott es hören will, beachten will und unser Bitten denen zugute kommen lassen will, die wir seiner Gnade befehlen. Darum noch einmal: Sorgen müssen wir uns um unsere Verstorbenen nicht! - Wenn wir jetzt die Geschichte hören, die uns für heute zu bedenken aufgegeben ist, dann erfahren wir, um wen und um was wir uns wirklich Sorgen machen müssen. Wir hören auf Worte aus dem Matthäusevangelium: Textlesung: Mt. 25,1 - 13 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm ent- gegen! Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen ver- löschen. Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zum Kaufmann und kauft für euch selbst. Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Darum wachet! Denn ihr wißt weder Tag noch Stunde. Wir kennen wohl alle diese Geschichte!? Und selbst wo nicht, wir kennen doch diese Gedanken: Die Christen warten auf etwas...auf jemanden...auf den, nach dem sie heißen: Christus. Das haben wir vorhin nicht nur so dahingesagt: ...von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten... Wir mögen uns das ganz unterschiedlich vorstellen, wie er wohl kommt, der Herr...auf wel- che Weise, zu welcher Zeit...erst, wenn auch wir heimgegangen sind oder noch zu unseren Leb- zeiten, ja, vielleicht schon morgen...für alle Menschen zugleich oder für jeden einzeln...alles ist möglich...alles kann sein... Aber daß er kommt, daran zweifeln wir nicht, wenn wir Christen sind! Und daran zweifeln auch alle 10 Jungfrauen unserer Geschichte nicht! Der Bräutigam wird kom- men! Wie und wann ist unbestimmt. Aber er wird! Wer kann nun verstehen, daß fünfe von ihnen so leichtsinnig sind? Sie haben zwar Lampen aber kein Öl dazu. Was ist, wenn der Herr nun mitten in der Nacht kommt? Dann werden sie kein Licht haben, zu ihm zu gehen, ihn zu empfangen. Und wir spüren das doch: Mit dem Öl für die Lampen ist viel mehr angesprochen. Es geht darum, bereit zu sein. Jeden Tag, ja, jeden Augenblick fertig zu sein für seine Stunde. Und da denken wir ja heute unwillkürlich an den Abschied von dieser Welt, an die Stunde, in der wir heimgehen, ihn zu treffen, den Bräutigam, den Herrn, den Richter... Und wir haben es doch im vergangen Kirchenjahr auch wieder erleben müssen, wie schnell das gehen kann. Von einer Minute auf die andere hat es geheißen: Ist deine Lampe bereit, hast du Öl, daß du dir leuchten kannst, hast du Licht, zu ihm zu gehen oder wirst du draußen bleiben müssen, wenn das Fest beginnt? Nochmal nein, wir wollen uns jetzt nicht um die sorgen, die uns vorausgingen... Bleiben wir bei uns: Ist unsere Lampe fertig? Sind wir bereit? Und bleiben wir bei diesem Bild: Hat unsere Lampe Öl, haben wir ein Licht, das brennt und es hell macht in und um uns und noch nicht erloschen ist? Ist es vielleicht kurz davor, daß es verlöschen will, ja, flackert die Flamme schon und wird bald ausgehen? - Was könnte da für uns gemeint sein? Vielleicht das: Denken wir eigentlich noch hin und wieder an Gott? Nicht wenn der Kirchgang am Totensonntag bevorsteht, meine ich, oder wir durch eine Taufe oder Hochzeit oder den frommen Wandspruch im Krankenhaus an ihn erinnert werden. Denken wir an ihn, wenn wir uns über etwas sehr freuen oder über einen Menschen in unserer Nähe so glücklich sind... Lassen wir das wenig- stens in unserem Herzen dann zu einem Dank werden: Danke, guter Gott, du beschenkst mich so reich. Und wie ist das, wenn wir mit schlotternden Knien an die Seite fahren, wenn es um ein Haar einen ganz schlimmen Unfall gegeben hätte? Hält sich dann unser „Gott sei Dank", das wir in diesem Moment hervorstoßen auch nur bis zum Abend, daß wir Gott in unserem Gebet danken? Über- haupt: Unser Gebet... Ich höre es immer wieder: Ich bete nicht mehr, seit damals... Oder: Was habe ich früher doch viel gebetet, aber jetzt...es nützt ja doch nichts! - Ob und wie ein Gebet nützt, und ob es denn un-nütz ist, wenn nicht das herauskommt, was ich mir wünsche, darüber müßten wir si- cher nachdenken und reden. Aber ich möchte heute nur das sagen und empfehlen: Wir sollten es mit dem Beten wieder einmal versuchen! Es könnte ja sein, daß wir heute ganz andere Leute sind als damals, als wir meinten, damit aufhören zu müssen. Und es könnte ja sein, daß Gott uns inzwischen längst die Erkenntnis geschenkt hat, daß sein Wille damals besser war als unser Wün- schen. Daß wir damals das Beten aufgegeben haben, hat also eigentlich gar keinen rechten Grund mehr! Und noch etwas will ich sagen: Ich weiß nichts in unserem Christenleben, was besser mit dem Öl für unsere Lampe zu vergleichen wäre als eben das Gebet: Betende Menschen nämlich reden mit Gott und werden von ihm angesprochen. Betende Menschen haben Kontakt und Beziehung mit dem, der ihr Herr ist. Betende Menschen werden in jedem Gebet neu dessen vergewissert, daß un- ser Leben noch eine andere Seite hat, eine Zukunft, eine Aussicht und eine Hoffnung. Betende Menschen sind immer auch wartende, erwartende Menschen: „ Der mit dem ich jetzt rede, der mich hört und mir gute Gedanken eingibt, der kommt eines Tages wieder, der bringt diese Welt zu Ende und eine neue herauf." Betende Menschen haben ihre Lampe fertig. Aber es gibt noch mehr, was hier mit dem Öl angesprochen sein könnte, dem Öl, das wir haben o- der das uns fehlt: Ich meine die Liebe zu Gott und damit zu den Menschen, denn wer Gott wirklich liebt, wird auch die Menschen lieben und vor allem die Gemeinschaft mit ihnen. Aber so vieler Leute Leben in unserer Zeit dreht sich nur noch um das eigene Wohl, die eigenen Sorgen, das eige- ne Haus, das Stückchen Straße vor meiner Tür und daß ich selbst mein Auskommen habe. Alles, was Gemeinschaft heißt, das brauchen viele nicht mehr, wie sie meinen. Aus diesem Geist werden dann solche Worte geboren: „Ich will von niemandem etwas geschenkt, soll auch von mir keiner etwas verlangen!" Dabei ist doch alles - was wirklich Wert hat - geschenkt - aus Liebe. Und von nichts, was ich bin und habe, kann ich letztlich behaupten, daß ich es nur mir verdanke! Wenn mich meine Mutter nicht so geliebt hätte, dann wäre ich nie erwachsen und groß geworden, denn es ist nicht nur das Brot gewesen, das mich ernährt hat, sondern ihre Liebe. Auch wenn - und das haben ja im vergangenen Jahr einige Menschen erfahren dürfen - wenn ich die Freunde nicht hätte, die Nachbarn und die Kirchengemeinde, gerade wenn mir ein lieber Mensch stirbt, wenn ich dann nicht vom Beistand und der Fürsorge, von der Hilfe und dem Trost der anderen aufgefangen würde, was könnte mich denn da noch aufrecht halten, noch so viel Mut und Kraft geben, daß ich weiterma- chen, weitergehen kann? Und wo kommt das denn her, wenn nicht von der Liebe der Menschen - zu mir, und auch zu Gott, an den sie glauben und von dem sie wissen, der schickt mich jetzt zu ihr...zu ihm... Und selbst das Haus, das Auskommen - was ist es denn wert, wenn ich allein bin, wenn zuletzt niemand da ist, der mich pflegt, wenn ich mir eben nicht mehr allein helfen kann? Nur die Liebe wird dann den Weg zu mir finden. Nur die Liebe wird dann etwas für mich tun. Ja, nur die Liebe wird mich am Leben erhalten, wenn ich erst erkennen muß, daß alles andere eben nicht trägt. - Und darum eben ist auch meine Liebe zu anderen nötig - wie das Öl für die Lampe. Und oh- ne sie würde es dunkel und ich könnte den Weg nicht finden, weder zu den anderen noch zu dem Herrn, wenn er kommt, plötzlich, mitten in der Nacht... Sicher gibt's noch manches, was sich mit dem Öl vergleichen ließe. Aber es mag genügen, wovon wir gesprochen haben. Was mir noch so gefällt an diesem Bild und was doch auch so treffend ist: Wie leicht läßt sich doch vermeiden, daß uns das Öl für unsere Lampe ausgeht! Wie einfach wäre es doch für die fünf Jungfrauen gewesen, die paar Schritte zum Kaufmann zu machen. Und die Welt gekostet, hätte es auch nicht! - Ist das nicht auch für uns eine kleine Mühe, uns „Öl" zu be- sorgen? Wollen wir's nicht - wo wir vielleicht einmal aufgehört haben - wieder einmal mit dem Gebet versuchen? Werden uns die Gedanken dieses Tages wohl zur Liebe führen, daß wir unser Herz mehr als bisher für Gott und die Menschen in unserer Nähe öffnen? - Nicht um unsere Verstorbenen, aber darum wollen wir uns sorgen! AMEN