Predigt zum Erntedankfest - 5.10.2003 Textlesung: Lk. 12,(13-14) 15-21 Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, daß er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch ge- setzt? Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, daß er viele Güter hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott. Liebe Gemeinde, Wir haben diese Geschichte alle ja gewiß schon oft gehört. Vielleicht fällt es uns da ja nicht mehr so auf...aber der Kornbauer wird ganz und gar nicht deswegen verurteilt, weil er viele Güter hat. Die Geschichte klagt ihn dafür an, daß er über seinen vielen Gütern Gott vergessen hat, von dem alle guten Gaben herkommen! Wenn man da einmal weiterdenkt, kommt man doch zu überraschenden Ergebnissen: Reich zu sein, ist nichts Böses! Viele Äcker, mehrere Häuser, viel Geld oder Aktien zu besitzen, ist keine Sünde. Keiner ist schuldig, nur weil es ihm gut geht. - Jetzt könnten sie ja meinen: Auch ich wäre vielleicht vom Wohlstand und vom Reichtum angekränkelt, darum rede ich so... Geht es denn an Erntedank nicht um das Teilen mit den Armen und das Weiterschenken an die, denen es nicht so gut geht wie uns. Doch, so ist es! Und so bleibt es. Auch für mich. Meine persönliche Sicht der Dinge und dieser Geschichte wird auch noch in einen Appell zum Teilen und Weitergeben der Geschenke Gottes münden, und der richtet sich an uns alle - und an mich selbst auch! Aber - gerade weil diese Geschichte so oft gehört und so bekannt ist - hören wir heute einmal genau hin: Kein Wort davon, daß es schlimm wäre, daß ein Mensch viele Güter hat. Vielmehr heißt es: Hütet euch vor der Habgier. Und kein Wort davon, daß der reiche Kornbauern seine vielen Früchte nicht genießen soll und daß er keine Vorratshäuser bauen soll, um die Fülle der Ernte darin zu sammeln. - Das aber wird angeprangert: Daß er zu seiner Seele spricht: Liebe Seele, du hast nun Ruhe auf Jahre, iß und trink und habe guten Mut! - Das ist die Sünde! Hier liegt die Schuld! Denn der reiche Mann tut so, als hätte er nur die Güter nötig und nicht Gott, dessen Segen sie ihm gab. Wie sieht es bei uns aus - vor dem Hintergrund dieser Geschichte? Ja, auch wir haben wieder reichlich geerntet. Und ich will - wie an jedem Danktag - alles das einschließen, was der Ertrag unserer Arbeit und unseres Lebens im vergangenen Jahr gewesen ist: Die Früchte des Feldes und der Gärten, das Brot, das Gemüse und das Obst, die Milch, die Eier und das Fleisch, aber eben auch der Fortschritt oder gar die Vollendung des Baus unseres Hauses, unser Gehalt, der Lohn, den wir bekommen, daß unser Arbeitsplatz erhalten geblieben ist, das neue Auto, das wir uns leisten konnten, vielleicht auch, daß wir etwas zurücklegen konnten für unser Alter... Und - weiß Gott nicht zuletzt - nenne ich heute auch wieder die Gaben, die wir nicht in Geld oder Zahlen beziffern können. Ich meine all die Liebe, die wir erhalten haben von Gott und den Men- schen, daß uns ein Kind oder Enkelkind geschenkt wurde, daß wir gesund geblieben oder wieder geworden sind, daß mit Gottes Hilfe so viele Gefahren überwunden wurden und wir in so manchen bösen Stunden bewahrt blieben. Und jetzt eben denken wir an den reichen Kornbauern... Nein, das alles ist nicht böse und wir ma- chen uns nicht schuldig nur dadurch, daß wir diese Gaben Gottes annehmen und uns dran freuen. Die Schuld kommt von woanders her. Die Sünde hat bei uns das selbe Einfallstor, wie bei dem Bauern der Geschichte: Liebe Seele, du hast nun Ruhe auf Jahre, iß und trink und habe guten Mut! Wir gebrauchen vielleicht nicht diese Worte. Aber es sind die selben Gedanken! Und nicht nur das: Den Gedanken folgen immer Taten, Wirkungen, es beeinflußt uns, wie wir dann handeln. Und die Habgier, vor der hier gewarnt wird, die ist oft auch in uns. - Aber ich will deutlich und praktisch sprechen: Hat uns die Ernte auf den Felder und in den Gärten wirklich dankbar und still gemacht? Haben wir Gott darin am Werk gesehen, daß er sie geschenkt und allein sein Segen sie ermöglicht hat. Oder haben wir nicht wieder gejammert und geklagt: Es hätte bei diesem oder jenem - vielleicht beim Obst! - doch ein bißchen mehr sein dürfen? Und beim Hausbau, dem neuen Wagen oder unseren Ersparnissen: Wem haben wir es denn zugeschrieben, daß wir uns etwas erwerben konnten? Dem gütigen Gott - oder uns selbst, unserem Fleiß, unserem Geschick, unserer Mühe und Leistung? Und wenn wir jetzt erst an die Liebe denken, die uns geschenkt wurde, das neue Leben in unserer Familie... Müßte hier nicht täglich der Dank in unseren Gebeten sein? Aber ist er das? Und die Ge- sundheit - wissen wir eigentlich noch, daß es auch anders sein könnte für uns? Sehen wir, daß es anderen im selben Alter viel schlechter geht und sie sich quälen müssen und sehr beeinträchtigt sind? Und hat uns der glückliche Ausgang eines Unfalls oder daß Gott uns in so vielen schlimmen Augenblicken der Gefahr beschützt hat, wirklich ans Herz gerührt und dankbar gemacht, so daß wir ihm mit einem Besuch seiner Kirche ("außer der Reihe" sozusagen) oder auch nur mit einem Gebet die Ehre gegeben hätten? Liebe Gemeinde, hier ist die Schuld - des Kornbauern und unsere: Daß wir doch Christen sein wol- len, daß wir doch an Gott, den Schöpfer, den Erhalter und Lenker unseres Geschicks glauben und ihm doch nicht den Dank, ja, nicht einmal die Achtung geben, die ihm zustehen. Aber denken wir einmal, daß wenigstens heute die rechte, die angemessene Dankbarkeit in uns ist. Dann will ich auch appellieren, an dich und dich....und an mich selbst auch. Denn dieser Dank ist es, der allein den Appell sinnvoll macht und nicht ins Leere laufen läßt: Daß wir teilen, weiter- schenken, anderen Freude machen, mit dem, was unser Überfluß doch sehr gut erübrigen kann! Der Kornbauer hätte es nicht gekonnt, denn er war nicht dankbar. Wie ist es bei uns? Liebe Gemeinde am Erntedankfest, vielleicht hilft uns das, wenn ich die alte Geschichte Jesu ein- mal mit meinen Worten - positiv - erzähle. Vielleicht zeigt uns das noch einmal klarer, worum es eigentlich geht, was die Sünde dieses Menschen ist und wie wir sie für uns vermeiden können. Ja, vielleicht macht uns diese so ganz andere Geschichte sogar Freude daran, es meinem reichen Korn- bauern gleich zu tun. Wir wollen sehen. Hier ist die Geschichte: Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, daß er viele Güter hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Ich bin Gott so dankbar. Alles das kommt ja von ihm. Jede Gabe meiner Äcker, ja, meines ganzen Lebens, hat er mir geschenkt. Ich will ihn dafür täglich loben und preisen und ihm die Ehre geben in allem, was ich tue. Aber, was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und er sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meinen Mitmenschen, denen es nicht so gut geht und deren Leben nicht so zum Besten steht: Ich habe mit Gottes Hilfe einen großen Vorrat für viele Jahre; ich habe Ruhe und muß mich nicht sorgen! Ihr sollt auch etwas davon haben, davon sehen und spüren, wie dankbar ich Gott bin. Wenn ihr etwas braucht, dann kommt zu mir. Wenn ich etwas für euch tun kann, dann werdet ihr bei mir eine offene Tür und ein offenes Ohr und Herz finden. Und Gott sprach zu ihm: Das gefällt mir! Mein Segen war mit dir, er wird bei dir bleiben und dich nie verlas- sen. Dir soll es immer gut gehen, denn du hängst nicht an irdischen Reichtümern und Schätzen, sondern schaffst dir deinen Reichtum bei mir. Liebe Gemeinde, jeder und jede von uns kann mit dafür sorgen, daß diese Geschichte in unserer Zeit unter uns wahr wird. Dazu helfe uns Gott!