Predigt am 15. So. nach Trinitatis - 28.9.2003 Textlesung: Mt. 6, 25 - 34 Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung? Seht die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr als sie? Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte, wie sehr er sich auch darum sorgt? Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut die Lilien auf dem Feld an, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen ist wie eine von ihnen. Wenn nun Gott das Gras auf dem Feld so kleidet, das doch heute steht und morgen in den Ofen geworfen wird: sollte er das nicht viel mehr für euch tun, ihr Kleingläubigen? Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, daß ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen. Darum sorgt nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Es ist genug, daß jeder Tag seine eigene Plage hat. Liebe Gemeinde! Eine Zumutung ist das! "Sorget nicht!" Die Benzinpreise steigen wieder. Das Gespenst der Arbeit- slosigkeit geht um im Land. Unsere Kinder bekommen nur noch mit Mühe eine Lehrstelle. Der Frieden ist an vielen Orten der Welt gefährdet oder es herrscht gar Krieg. Die ganz persönlichen Nöte sind alle Morgen neu. Unsere Gesundheit ist angeschlagen. Die Gemeinschaft in vielen Ehen und Familien ist kurz vor dem Zerbrechen. Und so vieles andere beschäftigt uns, quält uns, raubt uns den Schlaf... Und da heißt es: Sorget nicht!? Ja, wer möchte denn nicht manchmal vor lauter Sorge um die Zukunft verzweifeln und Glauben und Hoffnung fahren lassen? Gibt es nicht zu viele Gründe, sich Sorgen zu machen, ja, sich zu ängstigen: Wo will das denn alles noch hinaus? Wie soll das denn noch weitergehen? Wird nicht alles für uns nur immer schwerer und schlimmer? Sorget nicht...das Leben ist mehr als Speise und Kleidung... Gewiß, das stimmt ja auch. Wer sich immer nur Gedanken macht, der bringt sich leicht um jegliche Freude. Wenn ich immer nur das Schlimmste erwarte, dann wird es nur um so sicherer eintreffen. Du vergiftest mit deinem Pessi- mismus auch noch das wenige Schöne, das dir das Leben bietet. - Ja, das Leben ist mehr als unser Essen, der Leib ist mehr als was wir anziehen. Wenn wir doch nur alles ein wenig leichter nehmen könnten! Wenn uns nur nicht ständig die Angst überfiele. Wenn ich doch ruhig schlafen könnte, wenn ich an Morgen denke. Sorget nicht, euer Leben ist mehr...; wie leicht sagt sich das! Aber wie schwer läßt sich das beherzigen. Wie verlernt man die Sorge? Wie gewinnen wir Mut und Zuversicht? Ich kenne einen, der besitzt bestimmt fünf Lebensversicherungen. Vollkasko beim Wagen, Unfall-, Haftpflicht-, alles geregelt und gesichert. Da kann nichts passieren - dachte er. In der Ernährung ist er vorsichtig: Streng fettarm, fast salzlos, nie im Übermaß! So verlangt es die Gesundheit. Damit kann einer 100 Jahre alt werden - meinte er. Vor ein paar Monaten hat er erfahren, daß er Krebs hat. Das, womit er nicht gerechnet hat, ist eingetreten. Er kann nicht damit fertigwerden. Eine Mutter kannte ich einmal, die brachte sich fast um vor Sorge um ihre Kinder. Als sie noch klein waren, war sie immer mit Hilfe und Zuspruch um sie herum. Jeder Augenblick der Kleinen war überwacht. Es konnte ihnen nichts geschehen. Vor Gefahren wurden sie behütet, drohte Streit, dann griff die Mutter ein. Später nannte man die Kinder ein wenig unselbständig, bis... Bis zu der Zeit, wo sie ausbrachen, nacheinander, in unterschiedlichem Alter, aber alle, ohne Ausnahme! Sie wollten nur nocheins: Raus aus der behüteten Nähe der Mutter, endlich eigene Erfahrungen ma- chen, auch einmal auf die Nase fallen, nur nicht mehr länger so betuttelt werden... Und, soweit ich den Lebensweg der Kinder noch weiterverfolgen konnte, es hat ihnen nichts geschadet, ja, es ist ih- nen gut bekommen! Und noch einen kennen wir alle: Es war ein reicher Kornbauer, der hatte eine gute Ernte gehabt. Und da er die Fülle der Gaben nicht mehr in seinen Scheunen und Vorratshäusern unterbringen kann, läßt er neue bauen. Dann lagert er all sein Korn und seine Früchte und spricht zu sich selbst: Nun sei guten Muts, iß und trink und laß dir's wohlgehen. Du hast jetzt dein Auskommen für viele Jahre; mach dir keine Sorgen mehr! - Aber in der Nacht spricht Gott zu ihm: Du Narr, noch heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Man fragt sich wirklich: Was nützen uns eigentlich all die Sorgen, die wir uns machen und die uns aufreiben? Einen ganz anderen kennen wir noch. Jesus nennt ihn unseren "himmlischen Vater". Und ich weiß niemand und nichts, dem ich meine Ängste und meine Sorgen, meine Zweifel und alles, was mir zusetzt und mich um den Schlaf bringt lieber anvertrauen möchte, als einem "Vater", dem einen Vater aller Menschen. Er sieht nach uns. Kein Schritt, den wir tun, den er nicht wüßte. Kein Ge- danke, den er nicht kennt. Kein Schmerz, der ihm nicht auch wehtut. Kein Leid, an dem er nicht mitträgt. Keine Sorge, die ihm nicht auch schwer aufliegt. Kein Augenblick, in dem er uns allein ließe, der Vater. Darum: Sorget nicht! Euer himmlischer Vater weiß ja, daß ihr all dieser Dinge bedürft! Er wird euch Lebensunterhalt geben. Er wird euch mit allem versorgen, was ihr braucht. Er wird euch auch Morgen darreichen, was euch nötig ist. - Aber eben nicht das, was ihr wollt! Der Vater kennt wohl die Wünsche seiner Kinder, aber er erfüllt sie nicht alle. Er weiß wohl um jede Not, aber er erspart sie uns nicht immer. Er führt uns sogar einmal ins Leiden - aber er führt uns auch hindurch. Sorget nicht! Einer sorgt für euch, der weiß, was ihr braucht, um als Mensch zu le- ben. Und selbst wo uns der Vater aus diesem Leben gehen heißt, entläßt er uns nicht aus seiner Für- sorge: Er führt seine Kinder in sein ewiges Haus. Wirklich: Wer den Vater kennt, hat keinen Grund zur Sorge. Was soll uns geschehen? Was könnte uns von seiner Liebe trennen, die den einzigen Sohn leiden und sterben läßt, damit wir begreifen: Der Vater will, daß wir leben! Schon gar keinen Grund haben wir zur Sorglichkeit, die aber auch alles Schöne verdirbt und in alles Gute das Gift der bösen Erwartungen bringt. Sorget nicht, der Vater, der uns alles schenken will, der uns in dieser und der anderen Welt in seiner Nähe haben will, der wird uns nicht in den kleinen Sorgen und Äng- sten des Alltags versinken lassen. Wir sind unter den Augen des Vaters, und genauso auch alle, die wir liebhaben und um die wir uns Sorgen machen. Liebe Gemeinde, die Jagd um den Lebensunterhalt wird uns weiter in Atem halten. Manchmal wer- den wir uns fragen, wie das wohl noch weitergeht. Auch vor Arbeitslosigkeit ist jetzt keiner von uns gefeit. Der Frieden braucht weiter unseren Einsatz und seine Bedrohung unsere ganze Auf- merksamkeit. Vielleicht wird unser Kind keine Möglichkeit haben, einen Beruf zu lernen. Mancher von uns wird sein Leid noch lange mitschleppen müssen. Einige werden durch Krankheit und Zeiten der Dunkelheit gehen. Aber: Nichts von alledem geschieht als blindes Schicksal! Nichts ist zu gering, als daß es nicht dem Vater im Himmel am Herzen läge und Sorgen machte. Was er schon versieht, in der Hand hält und zum besten wendet, das muß uns keine Gedanken, schon gar keine Ängste mehr machen. Wir sind frei, das Notwendige - ohne Sorge, ohne Angst und ohne Hast - zu tun. "Trachtet vielmehr zuerst nach Gottes Reich und seine Gerechtigkeit". Jetzt kann es uns gelingen, dem nachzudenken, was Gottes Sache unter den Menschen dient. Vielleicht bekommen wir Herz und Hände einmal los vom Eigenen - und tragen an der Sorge des Nachbarn mit. Vielleicht auch lösen sich manche Schwierigkeiten, wenn erst die Sorglichkeit uns nicht mehr so verkrampft und wir so gebannt auf uns selbst und unser Leben starren. Sorget nicht! - Wir haben einen Vater im Himmel, der sieht nach uns und allem, was uns begegnet. Ich wünsche uns ein wenig von der ge- lassenen Zuversicht, der frohen Sorglosigkeit der Kinder, die wissen, daß ihr Vater in der Nähe ist und seine guten Augen nach ihnen sehen.