Predigt am 9. So. nach Trinitatis - 17.8.2003 Textlesung: Mt. 25, 14 - 30 Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten ei- nen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort. Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann wei- tere fünf dazu. Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu. Der aber einen empfan- gen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu ge- wesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude! Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wußtest du, daß ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen. Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern. Liebe Gemeinde, wir können uns schwer dagegen wehren, bei den letzten Sätzen dieses Gleichnis' an ein bekanntes Sprichwort zu denken: "Wo Tauben sind, da fliegen Tauben hin!" Und die Erkenntnis, wie sie die- ser Gedanke ausspricht, fällt uns vielleicht ein: "Wer schon viel besitzt, der kriegt immer noch mehr! Und die nichts haben, kommen auch zu nichts." Aber will die Geschichte, die uns Jesus er- zählt, das bestätigen? Geht es darum, daß Gott denen immer noch mehr Güter schenkt, die doch schon lange genug haben und die Hungerleider vergißt? Ist Gott am Ende ungerecht? Erst einmal: Es geht wohl weniger um materielle Dinge, auch wenn man die "Zentner", von denen die Rede ist, auch vergraben zu Wechslern bringen und verzinsen kann. Vielleicht sprechen wir einmal von Gottes "guten Gaben" an uns!? Da bekommen also hier drei Menschen eine ganz unter- schiedliche Anzahl davon. Das können wir gut nachvollziehen: So ist es doch wirklich. Es gibt Be- gabte und weniger Begabte. Der eine kann viel, der andere wenig. Und die Gaben selbst sind auch sehr unterschiedlich. Die drei Menschen im Gleichnis haben - das wird einfach vorausgesetzt - ei- nen Auftrag: Mit den Gaben möglichst viel Gutes zu tun, mit "den Pfunden zu wuchern", wie es die Sprache der Lutherbibel sagen würde. Auch das ist im "richtigen Leben" genau so! Ich denke, kei- ner von uns würde ernsthaft meinen: Meine Talente für Sprachen oder für die Erziehung von Kin- dern, mein handwerkliches Geschick, meine Begabung im Umgang mit Menschen, mein brillantes Gedächtnis für Zahlen oder geschichtliche Ereignisse - alles das soll brach liegen, denn dafür habe ich die Gaben erhalten! Und es würde sicher auch keiner denken: Das alles soll nur mir dienen, al- lenfalls meiner Familie, aber nicht den anderen Mitmenschen. - Soweit herrscht unter uns sicher Einigkeit. Dann werden wir jetzt aber auch das tiefste Anliegen des Gleichnis' Jesu erkennen. Eben nicht, die Reichen sollen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, sondern: Ganz gleich, ob ihr viele oder wenige Gaben von unserem himmlischen Vater mitbekommen habt, ihr sollt sie einset- zen, mit ihnen euren Nächsten helfen, das äußerste für die Gemeinschaft, in der ihr lebt, herausho- len. Zwei Dinge sind noch bemerkenswert: Der Herr gibt den Knechten ja gar nichts zu dem hinzu, was sie schon haben! Sie erwerben es selbst mit dem, was er ihnen anvertraut hat. Und dann: Der Reichste von den dreien, der mit den fünf Zentnern, wird nicht ein bißchen bevorzugt! Und es ist auch nicht weniger wert, daß der Zweite mit den zwei Zentnern, auch nur genau so viel hinzuge- wonnen hat. Keiner wird also überfordert! Aber die Gaben zu vergraben, das ist denn doch zu we- nig. Mindestens Zinsen bei der Bank hätte der Dritte ja bekommen können! Wir werden uns jetzt sicher fragen, was diese Geschichte mit uns zu tun hat. Und wenn wir dahin kommen, daß wir uns in einem dieser drei von Gott "Be-gabten" sehen wollen, dann fragen wir si- cher auch, wem wir am meisten gleichen? Und da muß ich uns alle Schutzbehauptungen und Ausflüchte aus der Hand schlagen! Ganz gewiß würde Jesus sein Gleichnis nicht erzählen, wenn seine Hörer damals und heute wie die ersten bei- den Männer aus der Geschichte wären! Warum sollte er denn dann überhaupt erzählen - in einem solchen Fall wäre doch schließlich alles in Ordnung...mit uns! Nein, es führt kein Weg daran vorbei, daß wir es erkennen: Auch wir haben Talente, die wir ängst- lich für uns selbst sparen, die wir den anderen Menschen nicht gönnen, die vielleicht seit Jahren oder gar Jahrzehnten nutzlos brach liegen, ohne irgend eine Frucht hervor zu bringen. Ich denke, daß es so ist, hat auch mit einer besonderen Erscheinung dieser Zeit zu tun, dem Indivi- dualismus. Es ist ja heute schon verpönt, wenn man noch jung und dynamisch genug ist, eine Gruppenreise zu buchen, am Ende gar eine, bei der eine gewisse Betreuung angeboten wird. Für uns allein gehen wir auf Urlaub, dorthin, wohin sonst hoffentlich keiner fährt, dahin, wo wir Fotos machen können, die anderen den Atem verschlagen und das Gelb des Neides ins Gesicht malen. Wir gehen eben auf "Individual-reise", wie das heute heißt. Wem das nun zu speziell ist mit dem individuellen Urlaub... Es gibt auch andere Beispiele, mitten aus dem normalen Leben: Da gibt es unter uns Menschen, die wirklich wunderschön singen kön- nen, sie tun es aber nur unter der Dusche und wenn sie allein im Auto unterwegs sind. In den Ge- sangverein (den Singkreis,) gehen sie nicht, denn ihre Stimme gehört ja schließlich ihnen! Und ich kenne viele Menschen, die durch ihre Lebensumstände und vielleicht ihre frühe Rente oder Pensionierung noch so viel Kraft und Zeit hätten, sie vergraben sich aber zu Hause in die eigenen Vierwände oder dem eigenen Garten... Gewiß, das braucht Zeit, sich an den neuen Lebensabschnitt ohne die Arbeit, die Verpflichtungen und festen Termine zu gewöhnen, aber manche finden wirk- lich nie wieder da heraus und hin zu den anderen, die vielleicht so auf Hilfe warten und auf Bei- stand angewiesen wären. Ja, ich glaube, über solche Dinge spricht das Gleichnis Jesu. Und ich denke, es will uns da heraus- holen und über uns hinausbringen, so wie wir heute noch sind. Und es will uns den Kopf zurechtrü- cken, wo wir heute immer mehr den Gedanken anhängen, wir wären nur für uns selbst da, wir hät- ten allenfalls Aufgaben an unseren Lieben, aber doch nicht in der Gesellschaft, an der Gemeinschaft im Ort, an der Gemeinde... Schauen wir noch einmal in das Gleichnis Jesu: Meinen sie, es redet über Talente, die den Men- schen nur für sich selbst geschenkt worden sind? Wenn ich also mit Zahlen umgehen kann, daß ich nur für mich selbst den Lohnsteuerjahresausgleich mache - am Ende gar, wenn ich schon Rentner bin und das gar nicht mehr machen muß? Oder daß ich die wunderbare Gabe, mit Kindern gut zu- recht zu kommen, nur in meinem Haus einsetze - und ich habe vielleicht gar keine Kinder? Liebe Gemeinde, halten sie sich fest jetzt, ich will noch einen Schritt weitergehen, und auch das scheint mir von der Geschichte Jesu abgedeckt: Wenn die Gaben Gottes nicht nur für mich selbst sind, wenn meine Talente immer auch eine Beziehung zu den Nächsten, zur Gemeinde und Ge- meinschaft aller haben, dann besteht sogar ein Anspruch der anderen Menschen auf das, was Gott mir für sie geschenkt hat! Es wird nun ja gewiß keiner hingehen zu seinem Nachbarn und sagen: Du kannst doch so gut rechnen, hier ist das Formular und die Unterlagen, du bist es mir nämlich schul- dig, daß du meine Einkommenserklärung machst. Und niemand wird das kinderlose Ehepaar von schräg gegenüber so ansprechen: Hier habe ich meine Rangen mitgebracht, ihr könnt sie von jetzt an immer montags, mittwochs und freitags beaufsichtigen, denn das ist eure Pflicht an mir! - Und trotzdem! Eigentlich dürfen die anderen Menschen unsere Hilfe mit dem, was wir haben, erwarten. Unsere Güter und Talente hat uns Gott immer auch für die anderen gegeben. Ist es nicht auffällig, daß der Herr in der Geschichte Jesu die fünf und die zwei Zentner nun gar nicht für sich einstreicht? Selbst die Zinsen, die er vom Dritten wenigstens haben wollte, hätte er sicher nicht für sich behal- ten. Dieser Herr ist ja ein großer, reicher Herr, der das gar nicht nötig hat! Ein letzter Gedanke führt uns nun noch über das Gleichnis hinaus, und der ist für manche auch nicht so leicht und angenehm zu denken: Aber ist nicht unsere Arbeit, unser Auskommen, unser Wohnen in unserem Dorf (unserer Stadt), unsere Gesundheit und Sicherheit, ja alles, was unser Le- ben ausmacht und erhält, abhängig von und verbunden mit den anderen Menschen, mit denen uns das Schicksal zusammengeführt hat? Wo würden wir denn arbeiten und unser Geld verdienen, wenn uns ein Unternehmer z.B. nicht anstellen würde? Und wenn nicht für Strom und Wasser in unserem Haus gesorgt würde, dann säßen wir im Dunkeln und müßten zum Brunnen oder an den Bach laufen. Was wäre, wenn es keinen Arzt für uns gäbe? Was ist, wenn es einmal brennt und keine Feuerwehr da ist? Nicht wahr, da nehmen wir es gern und völlig selbstverständlich an, daß alle, auch wir, von dem le- ben, was einige für die Gemeinschaft aller einbringen. Umgekehrt aber wollen wir für uns behalten, was wir mitbekommen haben und denken, es gehöre nur uns allein? Liebe Gemeinde, es gibt so viele gute Gaben Gottes! Sie sind oft so wichtig, wir haben sie in so reicher Fülle geschenkt bekommen! Und es gibt viele Menschen, auch ganz in unserer Nähe, die sie so bitter nötig hätten. Und wenn es nur so etwas wie die Zinsen wären, die wir ihnen zukommen lassen....