Predigt zum 1. Adventssonntag - 1.12.2002 Textlesung: Mt. 21, 1 - 9 Als sie nun in die Nähe von Jerusalem kamen, nach Betfage an den Ölberg, sandte Jesus zwei Jünger voraus und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das vor euch liegt, und gleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Füllen bei ihr; bindet sie los und führt sie zu mir! Und wenn euch jemand etwas sagen wird, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer. Sogleich wird er sie euch überlassen. Das geschah aber, damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht (Sacharja 9,9): »Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.« Die Jünger gingen hin und taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf, und er setzte sich darauf. Aber eine sehr große Menge bre- itete ihre Kleider auf den Weg; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Menge aber, die ihm voranging und nachfolgte, schrie: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Liebe Gemeinde! Siehe, dein König kommt... Was haben wir da für Bilder vor Augen: Krönungsfeierlichkeiten mit Gästen aus aller Herren Länder. Prunkvolle Feste in riesigen Palästen. Prinzenhochzeit, gekrönte Häupter, Staatmänner, alles, was Rang und Namen hat, macht seine Aufwartung. Fahrt durch die Königsstadt in goldener Kutsche, 6 weiße Pferde vorgespannt... Siehe, dein König kommt... Hier sehen wir andere Bilder. Jesus reitet auf einem Esel. 12 Jünger zu Fuß - das ist die ganze Begleitung. Aber ist er nicht der König der Könige, der Herr aller Herren? Wenn die Könige der Welt sechsspännig fahren, wie müßte denn da erst Jesus in seine Stadt einziehen? Wenn die Herren dieser Erde in Kutschen von Gold gefahren werden, wie sollte da erst die Ankunft Jesu aussehen? Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und reitet auf einem Esel. - Ein seltsamer König. Nicht von Soldaten begleitet. Ohne Hofstaat. Kein Palast wartet auf ihn... Immerhin: Das Volk von Jerusalem jubelt. Sie hauen Palmzweige von den Bäumen und streuen sie auf den Weg. Sie breiten ihre Kleider auf die Straße, die er entlang reitet. Sie huldigen ihm: "Hosianna dem Sohne Davids. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe." Wir wissen, wie es weiterging. Die Menschen, die eben noch Hosianna rufen, werden nur wenig später "Kreuzige" schreien. Der Huldigung wird Verachtung folgen. Heute Lobpreis, morgen schon: "Dieser König muß weg...ans Kreuz mit ihm!" Wenn's auch hier noch so aussieht - dieser König ist nicht "angekommen" bei den Menschen von Jerusalem. Der Jubel war von kurzer Dauer. Siehe, dein König kommt... Wie steht's mit uns? Jubeln wir? "Hosianna den Sohn Davids? Gelobt sei, der da kommt?" Heute beginnt die Zeit des Advents. Advent heißt Ankunft. Wir wollen uns in diesen Wochen auf das Kommen unseres Herrn vorbereiten. Aber, wird dieser König bei uns ankommen? Oder ist das Schauspiel, das er bietet, nicht gar zu arm? Der Herr auf einem Esel - und der gehört nicht einmal ihm. Warum verstummten damals die Hosiannarufe so rasch? Warum schlug die Huldigung um in Haß? Nun, sie hatten den Messias mit dem Schwert erwartet. Er sollte die Römer aus dem Land treiben. Endlich sollte Schluß sein mit Gewaltherrschaft und Unterdrückung. Er sollte die fremden Herren zum Teufel jagen. Seine Truppen mußten stark sein, stärker als die römische Besatzung und ihre Legionen. Er würde mit Gewalt der Macht der fremden Herrscher ein Ende bereiten, mit eisernem Besen sollte er sein Königreich reinfegen. Israel würde wieder frei sein und mächtig. Es würde wiedererstehen in altem Glanz und alter Größe, wie zu Zeiten des Königs David. Darum jubeln die Bewohner Jerusalems: "Hosianna den Sohne Davids. Gepriesen der Messias, der endlich die Herrschaft antreten wird. - Und dann kam er...sanftmütig und auf einem Esel reitend! Aus der Traum von besseren Zeiten, von Glanz und nationaler Herrlichkeit. Nein und nochmal nein: Jesus war nicht der, den sie erwartet hatten. Dieser König war eine Schande! Dieser König mußte weg! "Ans Kreuz mit ihm!" Siehe, dein König kommt... So heißt es heute auch für uns. Was für einen Herrn erwarten wir? Kommt er bei uns an? Ja, auch der, den wir erwarten, soll mächtig sein. Schluß machen, soll er mit allem was uns bedrückt. Unser Recht soll er durchsetzen. Ein starker Helfer soll er sein, in all unseren Nöten des Leibes und der Seele. Er soll's denen zeigen, die uns böse wollen, denen, die Macht haben über uns und uns diese Macht spüren lassen: Daß sie uns in der Hand haben, daß sie Gewalt haben über uns, daß wir von ihrer Gnade leben, ihnen dankbar sein müßten... Wenn er doch ihre Herrschaft stürzte, ihrem Einfluß auf uns ein Ende machte. Wenn er sie doch endlich zu Fall brächte, die uns auf mancherlei Weise unterdrücken... Wenn es sein muß, mit Gewalt! Dann würden wir unseren Tag haben, endlich wären wir einmal oben, würden groß herauskommen. Ja, wenn er doch käme, der Herr, der diese Macht hat! - Er kommt...sanftmütig und reitet auf einem Esel. - Aus der Traum, liebe Gemeinde! Er ist anders, ganz anders, als wir ihn uns vorgestellt und erhofft haben. - Wird's beim Hosianna, beim Jubel bleiben? - - - Und doch: Mancher begreift, warum dieser Herr so kommt: Ohne Gewalt, ohne Schwert, ohne Truppen. Es scheint, er will anders in dieser Welt gewinnen. Er blendet uns nicht mit Purpur, Krone und großem Gefolge. Er will nicht den Glanz in unseren Augen - er will unser Herz! Gegen die Macht, die uns zu Boden drückt, setzt er die Sanftmut, damit einmal Friede sei in dieser Welt. Denn Frieden werden niemals die Mächtigen schaffen! Gegen den Druck, unter dem wir stöhnen, bringt er die Liebe. Damit einmal die Liebe auf dieser Erde regiere. Denn nur Liebe wird sich am Ende durchsetzen. Manche - auch heute! - stimmen ein in das Hosianna, und sie bleiben dabei. Diese Menschen erfahren etwas von der Freude, die mit diesem Herrn kommt. Denn das macht Freude: Auf Gegendruck verzichten, wo wir ihn ausspielen könnten. Ein gutes Wort für den haben, der uns an den Kragen will. Dem selbstlos helfen, der allein nicht zum Zug kommt. Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und reitet auf einem Esel. Das sollen wir an dieser Szene begreifen: Dieser Weg der Demut und Gewaltlosigkeit, den dieser Herr geht, ist die einzige Möglichkeit diese Welt zu verändern - und die Menschen. Wer sagt denn, daß wir Druck und Gewalt und die, von denen sie ausgehen, so nicht überwinden: Mit Sanftmut und Liebe? Einer hat damit angefangen. Und der will in diesen Tagen seinen Einzug bei uns halten. Sind wir bereit für sein Kommen? So wollen wir gleich singen (EG 9,3): "Kein Zepter, keine Krone sucht er auf dieser Welt; im hohen Himmelsthrone ist ihm sein Reich bestellt. Er will hier seine Macht und Majestät verhüllen, bis er des Vaters Willen im Leiden hat vollbracht." Alle, die den Gewaltigen erwarten, den König in Purpur, den Messias mit dem Schwert, gehen auf eine traurige, enttäuschende Zeit zu. Denn dieser König, dieser Herr wird noch tiefer hinabsteigen: Hinter dem Esel, auf dem er reitet, steht schon die Krippe - und hinter der Krippe das Kreuz... Ein für allemal ist das sein Weg gewesen. Und wir, die nach ihm heißen, sollen hinter ihm her diesen Weg gehen. - Aber er führt ins Leben und ins Licht! Ich wünsche uns allen eine gesegnete Adventszeit, eine gute Bereitung auf das Kommen unseres Herrn und die Freude an ihm, dem König, der unsere Herzen will!