Peter Boucsein, Koblenzer Straße 5, 56410 Montabaur, Tel. 02602-3420/ Fax –917809 Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss des Forums Lebendige Kirche Montabaur, am 6.1.2004 (Epiphanias) An die Gründungs-Mitglieder und den Freundeskreis des Forums Lebendige Kirche Liebe Schwester, lieber Bruder! Nun will ich Dir/Ihnen einmal persönlich schreiben und mich für jedes Gebet und alle Unterstützung in der einen oder anderen Form bedanken, die durch Sie/Dich dem Forum Lebendige Kirche im letzten Jahr zuteil wurde. Wir stehen noch immer am Anfang eines langen Weges. Die eigentlichen Herausforderungen an die Kirche kommen erst noch, und mit ihnen die Zeit des Forums. Um ein Bild aus dem Sport zu gebrauchen: Wir laufen uns erst warm. Es war erfreulich, wie die Presse, vor allem die Nachrichtenagentur IDEA, unsere ersten Gehversuche wohlwollend begleitet und kommentiert hat. Die Darmstädter Kirchenregierung hätte uns gerne totgeschwiegen, insbesondere den Protest im Zusammenhang der Homo- Segnungs-Entscheidung. Der epd-Hessen hatte ja Schreibverbot, die Evangelische Kirchenzeitung ebenfalls. Dass bei unserer spontanen Fax-Umfrage im Februar/März fast 400 PfarrerInnen geantwortet haben, hat den Kirchenpräsidenten mächtig gewurmt. Hatte es doch im Laufe von zwei Jahren auch nicht mehr Reaktionen auf die mehrfachen Bitten um Stellungnahme seitens der Herren Köke, Bertram und des LGA gegeben. Dass im Nachgang zu dieser Umfrage, fast unter der Hand und zunächst ohne Öffentlichkeit, immerhin 130 Pfarrersleute eine Dissens-Erklärung unterzeichnet haben, ist eigentlich ein bemerkenswertes, positives Ergebnis. Diese Aktion, in der EKHN-Geschichte bislang einmalig, fand dann nicht nur in unserer Synode ein Echo, sondern Beachtung weit über unsere hessischen Kirchengrenzen hinaus. Dankbar bin ich auch für die Gestaltung der Internetseite durch Bruder Manfred Günther. Sie wurde im ersten Halbjahr 2003 oft aufgerufen und gab vielen die Möglichkeit, unsere Texte in ganzer Länge zu studieren. Aber wenn es doch nur die unselige Homo-Entscheidung wäre, die mich/uns bekümmert! So vieles, was kirchenleitend aus Darmstadt kommt, verursacht geistliche Bauchschmerzen: Wie die Oberen der EKHN sich selbst höher gruppieren (lassen), wie die Synode durch solche Beschlüsse zahllose Kirchenmitglieder erzürnt, wie Proporz in der Besetzung von Leitungsämtern ein Fremdwort ist, wie die Niemöller-Kirche zum hierarchischen Religionskonzern umfunktioniert wird, wie mit soziologischen Wort-Keulen die Arbeiterinnen und Arbeiter im Weinberg der Gemeinde systematisch demotiviert werden, wie den Gemeinden Personal und Geld entzogen wird, wie manche GemeindepfarrerInnen sich wie die letzten Deppen vorkommen (immer mehr Arbeit, immer weniger Anerkennung), wie unsere Pröpste farblos wirken, wie hilflos die Kirchenleitung auf die geistliche Herausforderung unserer Zeit reagiert, wie peinlich wenig die EKHN-Synode zu Mission und Evangelisierung zu sagen hat..... Ich vermute einmal, dass es den Propheten früher ähnlich gegangen ist in ihrer geistlichen Existenz. Sie litten enorm, weil den Zeitgenossen die Augen verschlossen waren für das, was sie selbst (bereits) sahen und ansprachen. Auch wir – die noch immer kleine Gruppe der Lebendigen Kirche – sehen und fühlen die Not der Kirche in unserer Zeit. Auch wir bleiben nicht stumm. Wir haben immer wieder gut durchdachte, durchbetete, im brüderlichen Dialog zustande gekommene Texte unseren Brüdern und Schwestern zur Kenntnis gegeben. Dies geschah schriftlich (etwa in den nach wie vor lesenswerten „Ausblicken" von 1999 und 2000), und mündlich bei Begegnungen, in Synodendebatten oder Interviews mit Presse und Rundfunk. Hatten wir Erfolg? Nein. Resignieren wir und hören deshalb auf? Nein! Dieser (verständlichen) Versuchung gilt es zu widerstehen. Auch wir, die „Kritischen", die „Frommen", die „Konservativen", müssen noch dazu lernen. Da leisten sich Geschwister immer noch, ausschließlich ihr eigenes Süppchen zu kochen. Manche grenzen sich wegen diesem und jenem ab und meinen, alleine zu kämpfen ginge auch oder gar besser. Ein „divide et impera" hat die Kirchenregierung gar nicht nötig. Und sie kann auf die schweigende Mehrheit setzen, die immer nicken wird, wenn etwas „von oben" kommt. Wo ist der protestantische Geist (Luthers) geblieben? Überlastung und Müdigkeit im Dienst, Angst vor Repressalien oder Karriereknick, Gleichgültigkeit gegenüber der Gesamtkirche, Verzagtheit angesichts einer sich säkular gebenden Welt – all das (und noch manches mehr) liegt wie ein Leichentuch auf vielen in der Kirche – mitunter auch auf uns. So muss auch von unserer Generation und von uns persönlich durchbuchstabiert werden, was vertraut und altbekannt klingt: Veni Creator Spiritus – Komm, Heiliger Geist! Unsere Pfingstlieder sind so aktuell wie eh und je. Die Ziele des Forums Lebendige Kirche werden auch weiterhin nicht allen am Herzen liegen, die in unserer EKHN Verantwortung tragen. Wir werden unsere Stimme gerade deshalb laut erheben (müssen). Ich bin überzeugt, dass unsere gemeindenahe Position und das Ringen um geistliches Leben zukunftsfähiger ist als vieles, was in den letzten 10 Jahren als Überlebensstrategie für die Volkskirche ausgetüftelt wurde. Werden die demnächst zu beschließenden Sparmaßnahmen erst einmal greifen, dürften noch einige unserer bislang schlummernden Kolleginnen und Kollegen aufwachen. Bitte sucht Frauen und Männer, die bereit sind, für die Kirchensynode zu kandidieren! Und kommt zum Treffen am ersten Jahrestag der Gründung des FORUMS – am Mittwoch, den 18. Februar 2004, ab 14.30 Uhr ins Gemeindehaus nach Herbornseelbach! Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen für das neue Jahr 2004 Ihr/Euer Peter Boucsein