Verkleinerung der Landessynode der EKHN Noch spekulative Aspekte und Bedenken zu einer Maßnahme, die neuerlich die Landregionen der EKHN schwächen wird Die Landessynode der EKHN hat auf ihrer Tagung vom Dezember 2002 neben anderen – wahrhaftig weitreichenden und die Einheit der Landeskirche gefährdenden – Entscheidungen auch für eine Verkleinerung der Synode um etwa ¼ ihrer Mitglieder gestimmt. Ich fürchte sehr, dass diese Entscheidung neuerlich den Einfluß besonders der ländlichen Regionen der Landeskirche auf die Kirchenpolitik der EKHN verringern wird. Die Dekanate der städtischen Gebiete und besonders der Ballungsräume werden dagegen in der „urbanen Kirche", als die die EKHN von Kirchenpräsident Peter Steinacker schon bezeichnet wurde, künftig durch verhältnismäßig deutlich mehr synodale Vertreter repräsentiert sein, als dies heute noch der Fall ist. Ich bin überzeugt, dass schon jetzt genaue Pläne für das Procedere dieser Verkleinerung in den Schubladen der Kirchenleitung und des Kirchensynodalbüros liegen; auch die Zielsetzung der Maßnahme dürfte klar sein: Es geht darum, die Stimme(n) der städtischen Dekanate, zumal der durch Fusionen zusammengeschlossenen städtischen Großdekanate, in der Landessynode zu stärken. Diese sollen ihrer Mitgliederzahl entsprechend durch eine größere Zahl von Synodalen pro Dekanat in der EKHN-Synode vertreten sein. Ich sehe Klärungsbedarf für einige Fragen, bzw. habe angesichts des Beschlusses zur Verkleinerung der Landessynode folgende schwerwiegende Bedenken: 1. Wieder setzt sich (wie z.B. bei der neuen und schon der alten Pfarrstellenbemessung) für die Zuteilung von synodaler Vertretung ein rein quantitatives Kriterium durch. Die bis heute gültige Praxis, nach der jedem Dekanat, gleich wie viele Gemeindeglieder es vertritt, je ein Synodaler der PfarrerIn ist und zwei Synodale, die kein Pfarramt inne haben, zustehen, wird aufgehoben. Damit gibt man auch eine der letzten Möglichkeiten in der Kirche preis, dass zahlenmäßige Minderheiten ihre Anliegen im höchsten Entscheidungsgremium der Kirche vortragen und angemessen vertreten können. 2. Die städtischen – meist durch Fusion entstandenen – Groß-Dekanate werden aufgewertet, ihre prozentuale Bedeutung steigt. Dies hat auch einen inhaltlichen Aspekt: Die Anzahl der Stimmen in der Synode, die ekhn-notorisch zu kirchenleitungsfreundlichen Entscheidungen neigen, wird vergrößert. Die als schwer hantierbar geltenden traditionell und biblisch geprägten ländlichen Dekanate der Landeskirche bekommen ein wesentlich geringeres Gewicht. 3. Im Blick auf die (meist städtischen!) fusionierten bzw. die (meist ländlichen) in Arbeitsgemeinschaft verbundenen Dekanate der EKHN entsteht der Eindruck, die städtischen Dekanate sollen für die Bereitschaft zur Fusion, was immer die klare Präferenz der Kirchenleitung gewesen ist, belohnt werden. Die Dekanate, die sich in einer von der KL eigentlich nicht gewünschten Arbeitsgemeinschaft zusammengetan haben, werden dagegen spüren müssen, dass ihre Entscheidung für diese Form eines Zusammenschlusses nicht die 1. Wahl der Leitung der EKHN gewesen ist. (Synodalpräses Schäfer spricht in diesem Zusammenhang in der Kirchenzeitung vom 1.12.2002 davon, dass so „Benachteiligungen" ausgeglichen werden sollen, die sich bei unveränderter Zusammensetzung der Synode für die neuen fusionierten großen Dekanate gegenüber kleinen Dekanaten ergäben, die sich einem Zusammenschluss „widersetzt" hätten. Er fährt fort: "Das sind wir schon den vier Frankfurter Dekanaten schuldig", die aus ursprünglich acht Dekanaten gebildet worden sind. Sie seien mit ihrer Strukturreform vielen Dekanaten „vorausgegangen".) Mit einiger Sicherheit wird also den in der ländlichen Region zahlreich bestehenden Arbeitsgemeinschaften, die z.B. aus drei früher selbständigen Dekanaten bestehen, die synodale Vertretung von zur Zeit noch drei PfarrerInnen und sechs nichttheologischen Synodalen beschnitten werden. Hier – so ist zu vermuten – liegt überhaupt das Gros des Einsparungspotentials, das die Verkleinerung der Landessynode möglich machen soll. Auf diese Weise erhöht sich auch der heute schon deutlich spürbare Druck auf die dekanatlichen Arbeitsgemeinschaften, diese aufzukündigen und doch noch zu fusionieren. 4. Nicht beachtet bleibt dabei allerdings, dass gerade die flächenmäßig oft sehr großen Gebiete („Arbeitsgemeinschaft Hungen, Kirchberg, Grünberg", West – Ost- und Nord – Süd- Ausdehnung von jeweils ca. 50 km!), die in den dekanatlichen Arbeitsgemeinschaften verbunden sind, auch einer weit größeren Verschiedenheit der gemeindlichen Traditionen und Ausrichtungen, sowie mancherlei sozialen und regionalen Besonderheiten Rechnung tragen muß, während städtische Fusionen wesentlich homogener sind, da ihre – auch zahlenmäßig wesentlich geringeren Kirchengemeinden – traditionell und geographisch viel näher zusammenliegen. Die Vielfalt der Tradition und der konfessionellen und theologischen Prägungen der Kirchengemeinden der EKHN wird also künftig in der Synode nicht mehr angemessen abgebildet. 5. Überdies wird so auch das „Gemeindeprinzip" der EKHN endgültig zu Grabe getragen: Haben die Kirchengemeinden an der Basis durch die Strukturreform mit ihrer sog. „Stärkung der Mittleren Ebene" schon bei der Pfarrstellenbesetzung viel von ihren Rechten und ihren Möglichkeiten der Einflußnahme eingebüßt, so werden die Kirchengemeinden durch die Verkleinerung der Synode zukünftig noch der letzten Chancen beraubt, ihre kirchenpolitischen Meinungen, ihre Sorgen und Anliegen bis in die Synode hinaufzutragen. Daß dies auch ein von KL und Synodalpräsidentschaft gewünschtes Ergebnis ist, drängt sich geradezu auf. Ein fast ketzerischer (für mich allerdings sehr plausibler Gedanke!) dazu ist dieser: Müßte man nicht eigentlich einmal nach der Zahl der Kirchengemeinden in den Dekanaten der EKHN fragen und dann der wesentlich größeren „Gemeindedichte" in den ländlichen Dekanaten entsprechen? Das wäre für die Kirchenleitung und andere Interessensträger in der EKHN zweifellos ein Schritt zurück – für mich ginge er allerdings in die richtige Richtung: Die Basis der Kirche – und das ist nach den Worten des Herrn der Kirche – die Gemeinde, würde endlich wieder in ihre Rechte eingesetzt! 6. Noch einen bedenklichen Aspekt in kirchenrechtlicher aber auch ekklesiologischer Hinsicht sehe ich in der Tatsache berührt, dass gerade ländliche Dekanate bis heute VertreterInnen in die Synode entsandt haben, hinter denen wesentlich mehr Stimmenpotential der Kirchenvorstands- und Dekanatssynodalwahlen steht: In den ländlichen Regionen beteiligen sich erfahrungsgemäß rund viermal so viele WählerInnen an den Kirchenwahlen als in den Städten! Das heißt, die ländlichen Synodenvertreter sind wesentlich bewusster für ihr Amt bestimmt als die städtischen Synodalen. Nun ausgerechnet die Vertreterschaft der Landdekanate zahlenmäßig zu reduzieren heißt also auch, die Bedeutung und Achtung der Demokratie bzw. der demokratischen Strukturen in der Landeskirche weiter zurückzufahren. Ich spreche mich heute für die (Neu-)-Aufnahme der Diskussion über die beschlossene Maßnahme aus. Der Beschluß, die Landessynode zu verkleinern sollte überdacht werden. Ich bin sicher, nicht alle wichtigen Aspekte der Sache sind den Synodalen bei der Abstimmung deutlich gewesen. Geht man auf dem jetzt beschrittenen Weg weiter, dann fürchte ich, man hat bei der Dezembertagung der Landessynode der EKHN eine weitere Entscheidung getroffen, die voll zu Lasten der ländlichen Dekanate und Gemeinden gehen wird! Manfred Günther Lohgasse 11 35325 Mücke/Groß-Eichen manfred.guenther@t-online.de