Warum schafft die Kirche die Profil- und Fachstellen nicht wieder ab? Schon seit mindestens drei Jahren gibt es Initiativen in der EKHN, die im Zuge der Dekanatsreform eingerichteten Profil- und Fachstellen wieder abzuschaffen, bzw. wo sie inzwischen besetzt sind, bei nächster Gelegenheit zugunsten von Gemeindepfarrstellen abzubauen. Einige dieser Initiativen waren Eintagsfliegen. Es fehlte der lange Atem, die Umsetzung der Forderungen über eine längere Zeit zu betreiben. Oder man gab sich mit der durch den Sparzwang in der Landeskirche eröffneten Aussicht zufrieden, dass ein hoher Prozentsatz der Fach- und Profilstellen „eingefroren“, also nicht besetzt werden würde. In manchen Fällen allerdings drehte sich nicht der Wind, sondern die Fahne: Kollegen entdeckten das eigene Interesse an einer Profilstelle. Was kümmerte sie da noch ihr Geschwätz von neulich? Trotzdem: Insgesamt scheint in der Landeskirche, in Gemeinden, Dekanaten und auch Pfarrkonferenzen heute die Meinung vorzuherrschen, dass die Fach- und Profilstellen eine gigantische Vergeudung von personellen (und finanziellen) Ressourcen bedeutet, besonders vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Versorgungslage in den Kirchengemeinden, denen diese doch zuallererst für den Pfarrdienst ausgebildeten Theologen im Gemeindedienst fehlen, immer schlechter wird. Überdies hat sich inzwischen auch allenthalben die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Kirchenmitglieder, die ja zuallererst Kirchengemeindeglieder sind, das vorrangige Interesse haben, durch einen Gemeindepfarrer, eine Gemeindepfarrerin in ihrer Nähe betreut zu werden und dass diese auch letztlich das Profil der Kirche für die Menschen vor Ort darstellen und repräsentieren. Warum aber dringt die Meinung, dass die Fach- und Profilstellen zum größten Teil entbehrlich sind, nicht bis in die Entscheidungsgremien der Landeskirche durch? Warum hat die Kirchenleitung das Ergebnis des Forums „Wo soll die EKHN sparen“ in seiner eindeutigen Ablehnung der Fach- und Profilstellen schon im September 2003 (!) (nachzulesen unter: http://www.dike.de/phpBB/viewforum.php?forum=5), so gar nicht wahrgenommen, geschweige denn umgesetzt? Warum geht die Landessynode nicht – vielleicht nach einer Zwischen-Evaluation der Fach- und Profilstellen, die deren Ineffektivität zeigen würde! – daran, diese so schnell wie möglich abzubauen und stattdessen wieder Gemeindepfarrstellen einzurichten? Ich habe dafür zwei Erklärungen: - Die erste hat mit dem drohenden Gesichtsverlust derer zu tun, die – oft gegen Rat und Protest der gemeindlichen Basis – die Einrichtung der Fach- und Profilstellen betrieben haben. Dass hier kein Umdenken und schon gar kein Umschwenken zu erwarten ist, versteht sich nach aller Erfahrung leider von selbst. - Die zweite Erklärung hat für mich mit der Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern zu tun: Der Stoff der neuen Kleider, die zwei Schalke für den Kaiser gewebt hatten, war angeblich so fein gesponnen, dass ihn nur kluge Menschen sehen konnten. Wer also wollte dem Kaiser, als er die Kleider der Öffentlichkeit vorstellte, sagen, dass er nackt war? – Erst ein kleines Kind findet die Worte der Wahrheit. Es sagt: Er hat ja gar nichts an! – Jetzt können es auch die anderen nachsprechen: Er hat ja gar nichts an. – Es fehlt im Blick auf die Fach- und Profilstellen einfach an Menschen, die es aussprechen, was die meisten längst gemerkt haben: Gemessen am Einsatz der selben Anzahl von Stellen im Gemeindepfarramt bringen diese übergemeindlichen Stellen nur sehr wenig. Dem „Profil“ der Kirche dienen sie nicht. Darüber hinaus sind namentlich die ländlichen Regionen vom Segen, der von diesen Stellen ausgehen soll, wegen geographischer Aspekte und aus Gründen mangelnder Mobilität weitgehend ausgeschlossen. Manfred Günther Hier sind noch ein paar Auszüge aus früheren Artikeln bzw. Leserbriefen von mir, die Meinungen wiedergeben, die ich mir zum einen selbst gebildet, zum anderen aber auch in vielen Gesprächen, Briefen und Emails von Kollegen gehört oder gelesen habe. Vielleicht können sie auch eine Entscheidungshilfe in der für die Herbstsynode der EKHN anstehenden Diskussion über den Sinn der Fach- und Profilstellen und für die dazu zu fassenden Beschlüsse sein: Im Blick auf das Prinzip „Rasenmäher“ in der landeskirchlichen Sparpolitik: Solches Sparen macht nach und nach noch die rudimentären Reste gesamtkirchlichen Profils kaputt. Besser ist es wirklich, ohne Tabus und falsche Rücksichten nach dem zu suchen, was verzichtbar ist und oft genug absolut überflüssig. Und weiß Gott, dazu zählen die meisten Fach- und Profilstellen! Das „Profil“, wie es dem Auftrag des Herrn der evangelischen Kirche entspricht, hängt nicht von ihnen ab. Die Kirche Jesu Christi gewinnt das ihr allein wohl anstehende Profil fast ausschließlich durch die Verkündigung des Evangeliums und durch die aus dem Geist dieser Verkündigung geschehende Seelsorge, Mission, Diakonie und Gemeindearbeit! Das alles findet zum allergrößten Teil in den Kirchen und Gemeindehäusern oder den anderen Versammlungsorten der Kirchengemeinden statt und wird seit Alters durch die Pfarrerin, den Pfarrer dieser Gemeinden angeboten. PfarrerInnen im Gemeindedienst sind also die wahren Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Profilstellen unserer Kirche! Im Blick auf die geographische Situation der Landeskirche: Es ist für mich ein historischer und leider nicht wieder gut zu machender Fehler gewesen, im Zuge der Strukturreform in derartigem Umfang Fach- und Profilstellen an irgendwelchen gemeindefernen Orten einzurichten, zuständig für irgendwelche Riesenverwaltungskonstrukte wie fusionierte Dekanate oder Propsteien mit Fahrtstrecken zu den Außenorten von oft weit über 50 km. Ich halte es (das sei zur Ehrenrettung der Profilierten gesagt) für absolut unmöglich, in einem Dekanat mit auch „nur“ 50.000 Seelen in sagen wir 45 Kirchengemeinden eine sinnvolle, für die Gemeinden und ihre wirklichen Bedürfnisse nutzbringende Arbeit zu leisten. Da muss man sich verzetteln. Und so ist auch die Erfahrung diese: Profil- und Fachstelleninhaber finden – zumal sie in den Gemeinden oft genug absolut nicht gebraucht werden – oft schon keinen rechten Anfang für ihren Einsatz. Das frustriert und tötet in kürzester Zeit jede Leistungsbereitschaft und Arbeitsfreude. So kann man auch zunehmend von den Profilierten hören, dass sie mit ihrer Wahl einer Profilstelle selbst nicht mehr zufrieden sind. Im Blick auf den mangelnden Bedarf seitens der Gemeinden: Fach- und Profilstelleninhaber müssen es schon gemerkt haben, wenn sie es verständlicherweise auch nicht öffentlich machen: Der Bedarf nach Beratung oder Hilfestellung seitens der Gemeinden ist sehr gering! Wie soll auch ein Kirchenvorstand z.B. aus einem Ort im Hohen Vogelsberg, im Oden- oder Westerwald auf den Gedanken kommen, eine Fachkraft des Kirchlichen Handlungszentrums in Mainz oder Frankfurt um Rat oder gar einen Besuch zu bitten? Dafür haben die Menschen in der Gemeinde doch ihren Pfarrer, ihre Pfarrerin (oder – bei unbesetzbar gemachten Gemeinden – sie hätten sie doch gern dafür!). Die können es vielleicht fachlich nicht so gut, aber sie sind erreichbar und wohnen nur ein paar Häuser weiter – und sie stehen wirklich zur Verfügung: zeitnah, wie man heute sagt. Wobei ich durchaus nicht behaupten will, alle Fach- und Profilstelleninhaber seien faul! Sie haben gewiss zu tun. Die Frage ist nur, ob ihre Arbeit das ist, oder auch nur noch daran erinnert, wofür sie einmal angetreten und eingestellt worden sind! Im Blick auf den Abbau von Gemeindepfarrstellen und das Profil der Kirche: Wenn die beschriebene Entwicklung sich dann noch gegen die Kirchengemeinden wendet, insofern die Errichtung von Fach- und Profilstellen auf der anderen Seite den Abbau von Gemeindepfarrstellen nach sich gezogen hat und weiter zieht (- und das ist so, auch wenn man uns etwas anderes einreden will!), dann zeigt sich, dass hier eine Kirche auf der Straße in eine dunkle, profillose Zukunft unterwegs ist. Die wahren Profilträger müssen wieder in ihr Recht eingesetzt werden: die Kirchengemeinden und ihre PfarrerInnen. Im Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit: Ich glaube, wenn der Begriff „verzichtbar“ zu steigern ist, dann sind die Öffentlichkeitsarbeiter am verzichtbarsten! Die Öffentlichkeitsarbeit, die eine Kirche für das ihr angemessene Profil braucht, wird traditionell in den Kirchengemeinden getan. Raten Sie, von wem? Richtig: Von den GemeindepfarrerInnen! Dazu dienen die Gemeindebriefe, die Schaukästen und die Nachrichtenblätter, die nach den Gottesdiensten am Kirchenausgang liegen und von den Interessierten gern mitgenommen werden und in letzter Zeit zunehmend auch Internetseiten. Außerdem sind „weltliche“ Redakteure der Zeitungen nach meiner Erfahrung meist sehr gern bereit, kirchliche Nachrichten oder auch geistliche Kolumnen regelmäßig in ihr Blatt aufzunehmen, und das noch kostenlos! Wofür brauchen wir also Profilstellen für Öffentlichkeitsarbeit? Zumal wegen Überlastung der PfarrerInnen in größer gewordenen Gemeinden mit „Versorgungs“-zuschnitt von um die 2000 Seelen (- in denen sich die KollegInnen ihrer Berufung nach immer noch verzweifelt um wirkliche seelsorgerliche Betreuung bemühen!) und durch zahlreiche mitzutragende Vakanzen in diesen Gemeinden immer weniger geschieht, was der Öffentlichkeit zu berichten wäre, was auch nach der Entdeckung des kirchlichen Ehrenamts durch die Landeskirche weiter gilt. Überdies gehen gerade die für Öffentlichkeitsarbeit installierten Profilstellen auf Kosten der Gemeinden und ihrer ausreichenden Betreuung durch Pfarrerinnen und Pfarrer, und das nicht zu knapp! Wenn wir einmal veranschlagen, dass in jeder der sechs Propsteien um die vier dieser sog. Querschnittsstellen eingerichtet werden sollen und diese von allen übergemeindlichen Stellen derzeit schon mit dem höchsten Prozentsatz konkret (wenn auch oft unbemerkt) existierender Profilierter abgedeckt sind, versteht man, warum so viele echte Kenner der Materie bei „Querschnittsbereich“ unverzüglich „Querschnittslähmung der Kirche“ assoziieren! (Von einem solchen Kenner, bzw. Insider habe ich über eine Profilstelle in „Öffentlichkeit“ gehört, der Inhaber wisse heute oft schon nicht, was er mit seinem Acht-Stunden-Tag anfangen soll! Aber es würden in seiner Propstei weitere drei Öffentlichkeitsstellen geschaffen!) Hier noch ein paar Fragen zum Sinn der Fach- und Profilstellen, besonders denen in der Öffentlichkeitsarbeit: Welchen Sinn hat es, wenn jetzt viele KollegInnen neben nur noch einer halben Gemeindepfarrstelle eine halbe Profilstelle innehaben, die sie vor der Reform genau so gut ehrenamtlich versehen konnten. Ging in solchen Fällen nicht ein halbe Gemeindepfarrstelle verloren? Wofür brauchen wir neben der Öffentlichkeitsarbeit, die wohl fast alle GemeindepfarrerInnen mit ihrem Gemeindebrief oder in den örtlichen Zeitungen treiben und neben den dafür Beauftragten, die es jedenfalls vor der Reform in jedem Dekanat gegeben hat, jetzt landeskirchenweit 25 volle Stellen für diese Aufgabe? Der unserer Kirche von ihrem Herrn zuvörderst aufgetragene Dienst an den Menschen in Verkündigung und Seelsorge braucht niemanden, der darüber berichtet, sondern Pfarrerinnen und Pfarrer, die ihn in den Gemeinden tun. Wie soll solche übergemeindliche Öffentlichkeitsarbeit je funktionieren, wenn die GemeindepfarrerInnen ihren Sinn nicht erkennen können und darum kaum bereit sind, mit "ihren" Öffentlichkeitsbeauftragten zusammenzuarbeiten. (Es hapert ja oft schon an der Bereitschaft der Pfarrer und Dekane, regelmäßig die Termine für Gottesdienste und Veranstaltungen an die Beauftragten weiterzugeben!) Auch die jetzt neu eingerichteten Stelle zur Koordination der Öffentlichkeitsarbeit in der EKHN wird daran nichts ändern können. Da ging vielmehr noch ein Pfarrer für die Gemeindearbeit verloren. Wie sollen Profilstelleninhaber für Ökumene oder auch Erwachsenenbildung überhaupt die ihnen zugestandene Arbeitszeit füllen? Ich halte es für absolut unmöglich sich übers Jahr auch nur 27,5 Stunden pro Woche (das wäre die Hälfte der durchschnittlichen Arbeitszeit eines Gemeindepfarrers = 55 Stunden) mit ökumenischen Kontakten oder der Vorbereitung von (kaum je aus den Gemeinden angeforderten) Vorträgen oder Seminaren zu beschäftigen. Die wichtigste Frage ist für mich allerdings eine ganz grundsätzliche: Was ist da in einer "Gemeinde"- Kirche geschehen, wenn sich - so erfahren wir es immer wieder - auf eine Profilstelle Dutzende von Bewerbern melden, eine Gemeindepfarrstelle dagegen keinen mehr interessiert, der doch einmal für die Gemeindearbeit angetreten ist und ausgebildet wurde? Der Kollege hat sicher recht, der in der Ev. Sonntagszeitung (ESZ Nr. 18, vom 1.5.2005, S. 31) feststellt: "Das Leben der Ortsgemeinde konzentriert sich zum großen Teil um die Bedürfnisse und Wünsche der Mitglieder. Es fällt sehr schwer, Herausforderungen und Aufgaben in den Blick zu bekommen, die außerhalb des eignen Horizonts liegen." Was hier beklagt wird, ist eine Tatsache. Warum nehmen wir es aber nicht endlich an und hin, dass es so ist? Von oben - durch übergemeindliche Öffentlichkeits- und Profilstellenarbeit - können wir den Horizont der Gemeindeglieder nicht erweitern. Das funktioniert nur von unten, in der Gemeinde. Und dazu braucht es PfarrerInnen in diesen Gemeinden, die in beharrlicher Verkündigungs- und Seelsorgearbeit die Menschen für die Bedürfnisse der Geschwister in der Ökumene oder die Herausforderungen der Zeit öffnen und befreien.