Pfingsten – „Komm, Heiliger Geist!“ Der Heilige Geist ist die heilende Antwort Gottes auf die zunehmende Verwüstung unserer Welt, unserer Kirche und unserer Seele. Und zugleich wächst mitten in diesen Verwüstungen bei vielen Menschen die Sehnsucht nach spirituellen Kraftquellen, da eben die Erfahrungen mit der Durch- und Wegrationalisierung unsres Lebens der Seele kaum Licht, dem Geist wenig Perspektive und dem Leib immer weniger Gesundheit bringen. Dieser spirituellen Sehnsucht hat die Kirche aus ihrer Mitte heraus zu begegnen, und wie sollte sie es besser tun als in und mit der Kraft des Heiligen Geistes? Nun ist der Heilige Geist kein diffuses System von Religion, die gibt es im Umfeld von Bayern München, McDonalds und dem Dalai Lama schon genug, sondern der Heilige Geist offenbart den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus als HERRN dieser Welt und als eine gewaltige Kraft, die Herzen und Leben verändert. In der Apostelgeschichte Kap. 2 wird dies anschaulich- geheimnisvoll berichtet. Der Bekennenden Kirche wurde vor 70 Jahren auch eine solche Geisterfahrung geschenkt, als sie im Bekenntnis von Barmen genau dies aussprach: „Jesus Christus ist das eine Wort Gottes, wie es uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ Wesentlich verbunden mit dieser Erfahrung des Heiligen Geistes ist der Ort, auf den sich Gottes Geist bezieht, ja den ER selbst herstellt: Die lebendige Gemeinde, sie ist Sein Geschöpf. So ist es kein Zufall, dass zum Barmer Bekenntnis die Erklärung über den Aufbau der Bekennenden Gemeinde gehört. Die Erfahrung des Heiligen Geistes ist daher die Erfahrung des Lebendigen Jesus Christus in der Gemeinschaft der Geschwister im Glauben, der mit Recht so genannten familia dei. Dabei bewirkt der Heilige Geist in dieser gemeinschaftlichen Glaubenserfahrung eine Zweipoligkeit, wie wir sie in der Apostelgeschichte deutlich erkennen: Zum einen die Gemeinschaft im öffentlichen Gottesdienst der großen Gemeinde im Tempel und zum anderen die persönlich- familiäre Gemeinschaft der kleinen Gruppe im Privathaus. Beide Weisen der Versammlung der christlichen Gemeinde, die öffentliche und die familiäre, die offene und die intime, sind wesentlich aufeinanderbezogen. Wenn nun z.Zt. in unserer Kirche die Gefahr der vermeintlichen Versektung dort geortet wird, wo der Glaube intimisiert und die Ortsgemeinde familiarisiert werden, dann liegt dieser Einschätzung die Ignoranz der Geisterfahrung, wie sie in den Anfängen der Apostelgeschichte beschrieben wird, zugrunde. In der kirchensoziologischen Grammatik des Neuprotestantismus wird solche Erfahrung strukturell zerhackt und ideologisch als sektiererisch verdächtigt. Doch was ist Pfingsten, wenn es nicht die dynamischen Lagerfeuer des Reiches Gottes entfacht: Die lebendigen Gottesdienste der Gemeinde, in denen das Wort Gottes öffentlich laut wird und die kleinen familiären Gruppen, in denen Christsein trainiert wird? Was ist der Heilige Geist, wenn ER nicht die Herzen entfacht und in der Wüste Leben erweckt? Das tut ER durch die Gemeinde in der Erfahrung des Glaubens an Jesus Christus und des Dienstes in Seiner Kirche. Gustav Heinemann sagte als Präses der Synode der EKD 1949: “Liebe Freunde, im Geschehen des Kirchenkampfes hat eine Umstellung zur Gemeindekirche begonnen, und damit liegt die Aufgabe vor uns, diese Ansätze nicht wieder ruhen zu lassen.... Gemeinde Christi würde bedeuten, dass die sogenannten Laien, Männer und Frauen, Alte und Junge sich gerufen wissen zu einem Dienst in der Kirche Christi, als dem vornehmsten und höchsten Dienst, den es unter uns Menschen geben kann.“ Diese Einschätzung Heinemanns hat nach Jahrzehnten des institutionellen Reichtums des volkskirchlichen Systems, der sich nun erschöpft, eine neue prophetische Aktualität. Und weil der Heilige Geist der unerschöpfliche Schöpfer der Gemeinde ist und weil ER der Geist der Kraft und der Liebe und der Klugheit ist, darum beten wir: Komm, Heiliger Geist! Und wachsen damit in der Zuversicht, dass die Zukunft der Kirche in der Gemeinde liegt. Pfarrer Burkard Hotz, Rimbach