Segnung homosexueller Partnerschaften Fragen an die Befürworter und für die Synodenentscheidung vom 4.12.2002 Verantwortlichen Ich bin in einer Zeit der EKHN zum Gemeindepfarrdienst angetreten, die noch stark von ei- nem gewissen Gefühl der Geborgenheit in dieser Kirche und vom Vertrauen hin und her zwi- schen Kirchenleitung und Pfarrschaft geprägt war. Damals habe ich mir wie selbstverständ- lich die entsprechende Offenheit in der Meinungsäußerung und den ehrlichen Umgang mit KollegInnen - auch in der Kirchenleitung - angewöhnt, von dem ich auch heute - in bekla- genswert anderen Zeiten! - nicht lassen will und kann. Ich habe nie einen Hehl daraus ge- macht, dass ich seit Jahren denke, die Pfarrschaft der EKHN schweige zu viel und zu lange - besonders dann, wenn es "nur" um eine verfehlte Kirchenpolitik geht und nicht um geldwerte Nachteile oder das 13. Monatsgehalt. Ich möchte nicht schweigen, vielmehr noch ein Wort zu einem Thema an alle richten, die am Zustandekommen einer Entscheidung von großer Tragweite beteiligt waren und an alle, die (noch) meinen, diese Entscheidung hätte unsere Kirche auf dem Weg in eine gute, evangeli- umsgemäße Zukunft weiter gebracht. Mag sein, dass manche KollegInnen die Sache schon als abgeschlossen und abgehakt ansehen. Aber mir geht es noch einmal um die "Segnung gleichgeschlechtlicher Paare". 1. Ich halte es für völlig unverständlich und absolut unerträglich, wenn in einer Kirche, in der sich 17 % der Gemeinden und Dekanate überhaupt nur zum Thema geäußert haben, von diesen 17 % angeblich aber nur eine hauchdünne Mehrheit für die Segnung war, sich dann 70 % der Landessynode und sogar 100 % der Kirchenleitung und des LGA für die Segnung aus- sprechen. Dass hier etwas nicht stimmen kann, hätte wirklich in den verantwortlichen Gre- mien auffallen müssen. Dass sich dabei keine "demokratischen Spielregeln", sondern auf skan- dalöse Weise kleine Minderheiten von InteressensträgerInnen durchgesetzt haben, dürfte schwer zu widerlegen sein. Nach wie vor bin ich der festen Meinung, dass in der gesamten EKHN - hätte man die Ge- meindeglieder an der Basis gefragt - der Homosegnung eine grandiose Abfuhr erteilt worden wäre. Ich schätze die Mehrheit gegen die Homosegnung auf um die 70 % - landeskirchenweit. In der Propstei Nord-Nassau dürfte sie noch wesentlich darüber liegen und auch in Oberhes- sen setze ich sie bei um die 80 % an. 2. Bis heute suche ich vergeblich nach einer hinreichenden Begründung für die Herbeifüh- rung einer Synodenentscheidung in der Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Die PfarrerInnen an der Basis der Kirche hätten in Beachtung gültigen Kirchenrechts schon im- mer eine solche Segnung im privaten Bereich vornehmen dürfen! (Dahin tendiert ja auch die Entscheidung der Bayerischen Landessynode in dieser Sache!) Hierzu hätten etwa seelsorger- liche Gründe führen können, und eine solche Segenshandlung im privaten Umfeld wäre auch von mir persönlich nicht verweigert worden, wenn sie denn je erbeten worden wäre. Durch die Öffentlichkeit, die in dieser genuin seelsorgerlichen Frage unverständlicherweise von der Leitung der EKHN gesucht wurde, hat die Angelegenheit (und das war vorherseh- bar!) eine Bedeutung, Brisanz und ein Spaltungspotential erhalten, die dem tatsächlichen "Bedarf" bei homosexuellen Paaren völlig unangemessen ist. Mit anderen Worten: Es wurde ein Thema in die Öffentlichkeit - auch der Medien - gezerrt, das dort niemals die nötige Ach- tung von Gefühlen Betroffener und die Sorgfalt im Umgang mit immer auch persönlich ge- färbten und lebensgeschichtlich verbundenen Meinungen erfahren konnte. - Dass die von der Homosegnung berührten biblisch-theologischen Fragen nicht würden geklärt werden können, war von vorn herein klar! Mir scheint das so abgelaufen zu sein, wie etwa der Versuch ausge- hen würde, das in der seelsorgerlichen Praxis auch recht unbedeutende Problem der "Jung- frauengeburt", die wir immerhin in unserem Credo bekennen, einer öffentlich diskutierten und dann beschlossenen Lösung zuzuführen. Der Fehler von KL und LGA und aller für die Behandlung des Themas Verantwortlichen war von Anfang an, dass sie in einer Frage eine Entscheidung herbeiführen wollten, in der nach Lage der Dinge, nach dem biblischen Befund und der großen Bandbreite biblischer Herme- neutik zwischen der KL auf der einen und z.B. dem pietistischen Lager auf der anderen Seite kein Ausgleich, kein Kompromiss und schon gar keine alle zufrieden stellende Übereinkunft möglich sein kann. 3. Was nun - nach der Entscheidung in der Landessynode der EKHN - an der Basis beklagt werden muss, ist bei den Gegnern der Homosegnung ein gewaltiges Misstrauen allen kirchli- chen Amtsträgern oberhalb des Gemeindepfarramtes gegenüber. Man fühlt sich - wenn man zunächst doch Stellung beziehen sollte und bezogen hat - hinterher einfach nicht ernst ge- nommen, nicht beachtet und mit einer Entscheidung konfrontiert, die man nicht mit "seiner Kirche" und "seiner Bibel" reimen kann. Auch die Synodalen, wie sie die Dekanate für die EKHN-Synode abordnen, werden vielerorts jetzt mit großen Vorbehalten und gewaltigem Argwohn gesehen, denn oft wurde von ihnen die vorher in den Dekanaten herbeigeführte Entscheidung in der Homosegnungsfrage bei der Abstimmung am 4.12.2002 ganz augenscheinlich nicht beachtet. Aber auch wo vorher in der Dekanatssynode keine solche Entscheidung getroffen wurde, hätten die Landessynodalen an einer - wenn auch nur "gefühlten" - Stimmungslage Maß nehmen können und müssen, was zweifellos zu anderen Ergebnissen in der Abstimmung der EKHN-Synode geführt hätte. Auch in vielen Gemeinden, Dekanaten und Pfarrkonferenzen ist jetzt das vielleicht vor der Entscheidung noch vorhandene Vertrauen geschwunden: Es ist augenfällig geworden, dass diese oder jene Gemeinde, dieser Pfarrer oder jene Pfarrerin im Dekanat für bzw. gegen eine Segnung ist, was in manchen Dekanaten durchaus unnötig polarisiert hat. Auch wurde jetzt möglicherweise offenkundig, dass in einer Gemeinde der Pfarrer, die Pfarrerin für die Seg- nung, der KV aber dagegen ist oder umgekehrt. Auch das sind sicher keine Erkenntnisse, die den Frieden an der gemeindlichen Basis fördern werden! 4. Der Schaden, den der Beschluss der Landessynode für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare verursacht hat und gewiss in aller Zukunft noch zeitigen wird, ist immens! Die Tatsa- che, dass keine Segnung gegen den erklärten Willen der Kirchengemeinden bzw. ihrer Kir- chenvorstände stattfinden soll, bzw. die PfarrerInnen nicht zu solchen Segenshandlungen ge- zwungen werden können, verkleinert das Problem nicht, sondern trägt nur die schädlichen Wirkungen des Synodenbeschluss' in die Gemeinden und ihre Leitungsorgane an der Basis der Kirche hinein. Als Pfarrer der EKHN stelle ich die Frage, ob und wie sich das kirchenleitende Vorgehen in Sachen "Homosegnung" mit der Sorgfalts- und Fürsorgepflicht den Gemeinden und ihren Gliedern gegenüber vereinbaren lässt. Auch frage ich ernsthaft, ob sich dieses Vorgehen nicht schon aus Gründen der "rechten Haushalterschaft" in der Kirche hätte verbieten müssen, denn es kann uns in Zeiten, in der die Kirche über den ständigen Rückgang des Kirchensteuerauf- kommens klagt und betrübliche Vorhersagen über demographische Entwicklungen bei der Kirchenmitgliedschaft veröffentlicht, nicht gleichgültig sein, ob mit unnötigen Diskussionen über absolut periphere Fragen wie die der Homosegnung massenhafte Austritte aus der Kir- che riskiert werden. Ein Lancieren einer dem Homosegnungsbeschluss vergleichbaren Kirchenvorstandsentschei- dung in einer Kirchengemeinde, verbunden mit der entsprechenden Missachtung gegebener Mehrheiten und der Ausgrenzung bestimmter Positionen von KirchenvorsteherInnen hätte ganz zweifelsfrei zu einem kirchenaufsichtlichen Verfahren gegen den Pfarrer, die Pfarrerin wegen "Ungedeihlichkeit" in der Zusammenarbeit mit dem Kirchenvorstand geführt. Ein sol- cher Pfarrer, eine solche Pfarrerin wäre schonungslos zur Rechenschaft gezogen worden, denn die rechtliche Basis für dieses kirchenleitende Vorgehen wäre die Kirchenordnung und ihre entsprechenden Paragraphen gewesen, die eben am "Gedeih" der Gemeinde orientiert sind. Vor diesem Hintergrund fragt man sich schon, wer eigentlich die Kirchenleitung und al- le anderen am Zustandekommen einer die Gemeinden und die ganze Kirche spaltenden Ent- scheidung zur Rechenschaft zieht? Ganz persönlich würde ich gern allen für die Entscheidung Verantwortlichen noch eine ganz einfache, vielleicht naive Frage stellen: Meinen Sie, dass es sich gelohnt hat, die Debatte um die Homosegnung zu führen und jetzt diese Entscheidung erreicht zu haben? Was ich dazu meine, dürfte deutlich geworden sein, aber ich will es noch aussprechen: Am Schaden, der durch die Synodenentscheidung vom 4.12.2002 entstanden ist, wird die EKHN nie mehr genesen. Der "Ertrag" der von der Kirche eingefahren werden konnte, z.B. die vorübergehende Beachtung in den Medien oder der kurzzeitige Ansehensgewinn in ho- mosexuellen Kreisen der Gesellschaft und der Kirche verbunden mit der Freude über die Möglichkeit, nun als homosexuelles Paar den Segen Gottes (?) zugesprochen bekommen zu können, wird sich schon bald als vergleichsweise mager herausstellen. Manfred Günther Lohgasse 11 35325 Mücke/Groß-Eichen manfred.guenther@t-online.de