E K H N - A k t u e l l
EinBlick, Ausgabe Juni 2000 |
Regionen entwickeln sich
Seit dem Erscheinen von "Person und Institution -
Volkskirche auf dem Weg in die Zukunft" im Jahr 1992 beschäftigen
sich Synoden und Kirchenleitung, Pfarrkonvente und
Projektgruppen, Kirchenvorstände und Mitarbeitervertretungen
mit der sogenannten "Mittleren Ebene" und ihrer möglichen
Struktur. Sehr unterschiedlich haben sich die verschiedenen Überlegungen
und ersten Schritte zur Dekanatsreform in den einzelnen
Propsteien entwickelt.
In Oberhessen beispielsweise sind benachbarte Dekanate schon früh
aufeinander zugegangen und haben Gespräche geführt, in welcher
Form sie zusammenarbeiten, und Kräfte bündeln können. Nach
einer Vielzahl von Gesprächen, Rundschreiben, Sitzungen und
Tagungen haben sich die Dekanate Alsfeld und Homberg ebenso wie
die Dekanate Kirchberg und Grünberg zu Kirchlichen
Arbeitsgemeinschaften zusammengeschlossen. Die Dekanate
Lauterbach und Herbstein haben zum 1. Januar 2000 fusioniert und
bilden jetzt gemeinsam das Dekanat "Vogelsberg".
Aufeinander zuzugehen, Veränderungen zu gestalten und
umzusetzen, geht nicht von heute auf morgen. Es heisst, sich
gemeinsam auf einen manchmal steinigen Weg zu machen, und über
mehrere Jahre hinweg miteinander zu diskutieren, und Konzepte für
die Region zu entwickeln.
Am Beispiel der Dekanate Kirchberg und Grünberg wird der Weg
zur Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft zweier Dekanate
nachgezeichnet.
Erste Schritte - den Reformprozess aktiv mitgestalten
Im Anschluss an die Kirchensynode im Juli 1995, in der es darum
ging, angesichts notwendiger Einsparungen künftige Schwerpunkte
kirchlichen Handelns zu setzen, ergriffen oberhessische Synodale
die Initiative und gründeten eine Arbeitsgruppe. Zwölf Männer
und Frauen kamen zusammen, um zu überlegen, welche Auswirkungen
die Strukturreform für ihre ländliche Region haben könnte.
Sie fragten: "Welche Bedingungen brauchen wir, um die
Strukturen zu bewahren." - "In der Landregion lebt ein
Dekanat von Überschaubarkeit und Nähe zu den Menschen."
Aktiv wollten sie sich um die künftige Gestalt der Kirche in
Oberhessen bemühen. Noch gut in Erinnerung waren die
politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre. Durch
Zusammenlegen von Dörfern zu Großgemeinden war nach Eindruck
der Delegierten die Bürgernähe verlorengegangen ebenso wie die
Heimatbezogenheit. Durch größere Einzugsbereiche von Schulen,
Kindergärten oder Ämtern waren vertraute Lebensvollzüge
aufgebrochen. Man fürchtete, nach der politischen Entmachtung
der Dörfer folge jetzt auch die kirchengemeindliche.
Ein Informationsschreiben an Gemeinden, Dekanate und kirchliche
Einrichtungen wurde verfasst. Gefragt wurde nach der ländlichen
Entwicklung und Funktion der Kirche: Wenn die Gemeinden und
kirchlichen Einrichtungen acht Prozent der Haushaltsmittel
sparen müssen, was dann? Die Rückmeldungen wurden ausgewertet
und die Strukturdiskussion in zwei Anhörungen fortgeführt.
Festgehalten in einem Bericht, gingen die Ergebnisse im Frühjahr
1996 an die Kirchensynode. Zu den Treffen der Arbeitsgruppe, die
ab 1997 regelmäßig stattfanden, entsandte das Dekanat
Kirchberg beispielsweise jeweils Mitglieder des
Dekanatssynodalvorstandes oder der Landessynode. Über die
Pfarrerinnen und Pfarrer war die Verbindung zur Diskussion in
den Pfarrkonventen gesichert. Zudem besuchte und befragte der
Dekanatssynodalvorstand fast alle Kirchenvorstände. Die
Vorsitzenden der Kirchenvorstände und deren Stellvertreter
trafen sich 1998 darüber hinaus zu einer dekanatsweiten
Informationsveranstaltung.
"Kooperation in regionaler Verantwortung"
Nachdem die Kirchenleitung im November 1996 die
"Orientierungspunkte" beschlossen hatte, die auf die
Vergrößerung der Dekanate und eine hauptamtliche Dekanin,
einen hauptamtlichen Dekan zuliefen, veranstaltete die
Arbeitsgruppe erneut zwei Anhörungen zur Frage der künftigen
Dekanatsstruktur. Während der beiden ganztägigen
Veranstaltungen mit den Dekanatssynodalvorständen,
Kirchenvorstandsvorsitzenden, Mitarbeitenden sowie
Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeiterschaft wurde
deutlich: In der ländlichen Region wird ein nachbarschaftliches
Verbundsystems gegenüber vergrößerten Dekanaten bevorzugt.
Nach intensiven Gesprächen mit Vertretern der Kirchenverwaltung
schlug die Arbeitsgruppe oberhessischer Synodaler eine verlässliche
Kooperation benachbarter Dekanate mit ähnlicher regionaler Prägung
vor. Berücksichtigt werden sollten die örtlichen Gegebenheiten
und regionalen Lebensbedingungen der Menschen. Die gewachsenen,
kleinräumigen und überschaubaren Strukturen sollten genutzt
werden. Entscheidungen sollten dezentral getroffen werden können
von "Menschen in der Region für Menschen in der
Region". Sie sollten an dem orientiert sein, was die
Menschen prägt, und was sie vor Ort brauchen. Die Aufgabe der
Kirchenvorstände und Dekanatssynoden sei es, klare Aussagen darüber
zu machen, wofür die Kirche in ihrem Ort (Gemeinde) und in
ihrer Region (Dekanat) einsteht, und welche Angebote sich für
kirchliches Handeln daraus ergeben.
"Orientierungspunkte" wurden für eine Zusammenarbeit
in der Region zusammengestellt.
Dazu gehören:
- die Erhaltung und Förderung der Nähe zu den Menschen
- die Förderung der Selbstorganisationskräfte in der
Region
- die Regionalisierung der Inhalte und Ziele
- die finanzielle Eigenständigkeit (Budget und
Personalpool)
- flexible Strukturen.
Kirchliche Arbeitsgemeinschaft
Ursprünglich war angedacht, Kirchberg und Grünberg als
Dekanatsverbund zu organisieren. Der diesbezügliche
Satzungsentwurf wurde im Oktober 1997 seitens der Kirchenleitung
abgelehnt. Es sollten keine neuen Verbände entstehen.
Stattdessen wurde vorgeschlagen, die Satzung einer
"Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft" zwischen den
Dekanaten Grünberg und Kirchberg zu formulieren. Ein Jahr später,
im November 1998, beschlossen die Synoden der beiden Dekanate
einstimmig mit einer Enthaltung in getrennten Sitzungen eine
gemeinsame Satzung zur Bildung einer "kirchlichen
Arbeitsgemeinschaft". Dieser stimmte die Kirchensynode im
Dezember 1998 zu. Im Februar 1999 wurde sie von der
Kirchenleitung genehmigt und im Amtsblatt 8/99 veröffentlicht.
Organisation und Arbeitsweise einer Arbeitsgemeinschaft
Dekanate und Dekanatssynoden
In einer Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft bestehen beide Dekanate
in ihrer bisherigen Form weiter. Sie bleiben mit ihren Synoden
die jeweiligen Rechtsträger. Die Arbeitsgemeinschaft kann nur
im Auftrag der beiden Dekanatssynoden handeln. Die gemeinsame
Synode setzt sich aus beiden Dekanatssynoden zusammen. Die
Arbeitsgemeinschaft selbst verfügt über keinen eigenen
Haushaltsplan. Auf den gemeinsamen Tagungen der beiden
Dekanatssynoden wird für die gemeinsamen Aufgaben ein
Bewirtschaftungsplan erstellt. Die kirchliche
Arbeitsgemeinschaft wird auch kein Anstellungsträger sein. Muss
eine Stelle neu besetzt werden, deren Inhaberin oder Inhaber für
beide Dekanate arbeitet, so wird er oder sie in einem der
Dekanate angestellt. Das andere Dekanat trägt jedoch anteilig
zur Finanzierung der Dienstleistung bei.
Dekane - Amt
Die Aufgaben der Dekaninnen und Dekane bleiben im wesentlichen
unverändert. Sie stehen weiter in der Rolle und dem
Erfahrungsfeld der Gemeindepfarrerinnen und Gemeindepfarrer.
Jedoch wird die Aufgabe der Personalgespräche in die
Leitungsverantwortung von Dekaninnen und Dekanen einbezogen Näheres
wird im Dekanatsstrukturgesetz geregelt werden.
Der Geschäftsführende Ausschuss
Die Mitglieder der beiden Dekanatssynodalvorstände bilden den
"Geschäftsführenden Ausschuss" der
Arbeitsgemeinschaft. Aus dem Dekanat Kirchberg kommen beratend,
ohne Stimmrecht, auch deren Vertreter hinzu. Handeln kann der
Geschäftsführende Ausschuss nur im Auftrag der beiden Synoden.
Er arbeitet wie eine Jury, die selbst keine inhaltlichen Ziele
setzt und Aufträge vergeben darf. Ziele und Aufträge kommen
aus den Gemeinden beziehungsweise den Dekanatssynoden.
Selbstverständlich kann der Geschäftsführende Ausschuss aber
innovative Impulse geben. Die Mitglieder können sich auf
bestimmte Handlungsfelder festlegen oder Arbeitsgruppen bilden.
Der Vorsitz
Der Vorsitz ist ehrenamtlich und wird aus den Mitgliedern des
Geschäftsführenden Ausschusses gewählt.
Erste gemeinsame Tagung diente dem Kennenlernen
Rund 120 Synodale aus den Dekanaten Kirchberg und Grünberg
trafen sich Mitte März 2000 zu ihrer ersten gemeinsamen Tagung
nach der Gründung der Arbeitsgemeinschaft. An diesem Tag ging
es vor allem darum, sich gegenseitig kennenzulernen, und die
Gemeinden in den Dekanaten vorzustellen: "Unsere Gemeinden,
ihre Besonderheiten, ihre Profile". Einig war man sich
darin, dass ein hauptamtlicher Dekan für die
Arbeitsgemeinschaft nicht in Frage komme. Gute Kontakte zwischen
Kirchberg und Grünberg bestehen schon aus Zeiten vor der Gründung
der Arbeitsgemeinschaft. Im Handlungsfeld Mission und Ökumene
beispielsweise arbeiten die Dekanate schon lange zusammen. Bewährt
hat sich ebenso die Zusammenarbeit bei Kinder- und
Jugendfreizeiten. Beispielsweise gibt es eine gemeinsame Broschüre
über Jugendfreizeiten. Nachbarschaftliche Absprachen gibt es
bei der pfarramtlichen Versorgung der Gemeinden insbesondere bei
Vakanzvertretungen. Die Dekanatskirchenmusikerinnen stehen in
Kontakt. Wesentlich sei, dass sich die einzelnen Gemeinden bei
den gemeinsamen Aktivitäten wiederfänden. Geleitet wurde die
erste Tagung gemeinsam durch die Vorsitzenden der einzelnen
Synoden. Im Anschluss an die gemeinschaftliche Sitzung berieten
die Synodalen nach Dekanaten getrennt über die jeweiligen Etats
für das Jahr 2000. Zum Dekanat Grünberg gehören 27.000 und
zum Dekanat Kirchberg 31.000 evangelische Christinnen und
Christen.
Auf dem Weg...
Über drei Jahre hat es gedauert von den ersten annähernden
Gesprächen bis zur Satzung der Kirchlichen Arbeitsgemeinschaft
Kirchberg und Grünberg. Der Wegbereiter hierfür war eine
Arbeitsgruppe, die mit ihrem Gestaltungswillen die Initiative
ergriff, Konzepte erarbeitete und immer wieder überarbeitete.
Einzelne Personen setzten sich ebenso unermüdlich für den
Fortgang des Prozesses ein und begleiteten die Entwicklungen und
Gespräche über die drei Jahre hinweg mit ihrem Engagement.
Die Kirchenvorstandswahlen im Jahr 1997 hatten kaum eine
Auswirkung auf die Zusammensetzung der Dekanatssynoden in
Kirchberg und Grünberg. Auch wenn ein Mitglied neu in den Grünberger
Deka-natssynodalvorstand gewählt wurde, hat sich das in
keinster Weise auf den Fortgang des Diskussions- und
Arbeitsprozess ausgewirkt. Die personelle und inhaltliche
Kontinuität konnte in beiden Dekanaten gewahrt werden.
Die Zusammenarbeit der Dekanate Kirchberg und Grünberg und der
Dekanatssynoden läuft im Augenblick gut. Am 8. April fand ein
Studientag für Kirchenvorstände statt. Die Synodalen beschäftigten
sich mit dem Thema: "Wozu braucht unsere Region die Kirche?
- Wohin tendiert die Gesellschaft? - Wofür machen wir uns als
Kirche in der Region stark?" Die nächste gemeinsame Synode
ist für den Oktober 2000 geplant ebenso wie eine gemeinsame
Fortbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer beider Dekanate.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es darüber, wann und wie die
Funktionsstellen innerhalb der Arbeitsgemeinschaft zu besetzen
sind. Bisher gibt es noch keine Dekanatsstellenbudgets im
Bereich der Pfarrstellen, des Gemeindepädagogischen Dienstes
oder der Kirchenmusik.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte in der Region künftig gesetzt
werden sollen, darüber müssen sich die Dekanatssynoden noch
genauer verständigen. Über die Organisation des Geschäftsführenden
Ausschusses, seine Aufgabenverteilung und die Arbeitsbelastung
der Dekanatssynodalvorstände gibt es bisher keine
Erfahrungswerte.
Inhaltlich weiterarbeiten will die Kirchliche
Arbeitsgemeinschaft Kirchberg und Grünberg am kirchlichen
Profil in der Region und den Fragen: Was brauchen die Menschen
in dieser Region von der Kirche? Was erwarten die Menschen in
dieser Region von der Kirche? Welche theologisch-ethischen und
sozialen Besonderheiten gibt es in der Region? Es geht darum,
die Satzung "mit Leben zu füllen". Zum letzten Mal
getagt hat die oberhessische Arbeitsgruppe vor einem halben
Jahr. Ihre Arbeit ruht im Augenblick. Es gibt sie aber noch.
Selbständig und trotzdem gemeinsam
In seiner Frühjahrssynode hat sich das Dekanat Hungen
vorgenommen, sich an die Arbeitsgemeinschaft Kirchberg und Grünberg
anzuschliessen. Zu dieser großen Arbeitsgemeinschaft würden
dann rund 80.000 Kirchenmitglieder gehören. Kirchberg und Grünberg,
so die bisherigen Gespräche, befürworten einen erweiterte
Arbeitsgemeinschaft mit dem Dekanat Hungen, wenn für jedes
Ursprungsdekanat die größtmögliche Selbständigkeit erhalten
bliebe. Die Satzung ist so formuliert, dass sie für neue
Mitglieder grundsätzlich offen ist. Befürchtet wird vor allem
seitens der bereits bestehenden Arbeitsgemeinschaft Kirchberg
und Grünberg, dass die Koordinationsaufgaben, die zu leisten
sind, immer größer werden, und sie entsprechend schwieriger zu
handhaben seien. Der Hungener Dekanatssynodalvorstand hat sich
jetzt bis zum Herbst vorgenommen, eine Satzung auszuarbeiten.
Diese muss dann in Kirchberg und Grünberg beraten werden. Bis
zum Frühjahr 2001 möchte sich das Dekanat Hungen an die
bestehende Arbeitsgemeinschaft Kirchberg und Grünberg
angeschlossen haben.
zusammengestellt von Gudrun Olschewski, zuständig
für Interne Kommunikation im Rahmen der Struktur- und
Dekanatsreform in der EKHN.
eMail: gudrun.olschewski.ekhn@t-online.de
Tel.: 06151 / 405 - 457
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